Leitsatz (amtlich)
Wird im Rahmen des Parallelimports eine Bündelpackung hergestellt, die aus mehreren Faltschachteln besteht, die nur durch ein Klebeband miteinander verbunden und in einer Klarsichthülle verpackt sind, so verstößt die Kennzeichnung gegen § 10 Abs. 1 AMG, wenn die Pflichtangaben nur auf einer der Faltschachteln angegeben sind. Das Klebeband und die Klarsichthülle fassen das Bündel nur zusammen, die einzelnen Faltschachteln sind jeweils äußere Umhüllungen i.S.d. § 10 Abs. 1 AMG. Angaben auf dem Klebeband oder auf der Klarsichthülle sind insoweit nicht maßgeblich.
Art. 28 EG steht wegen der Richtlinie 92/27/EWG nicht dem Verbot entgegen.
Normenkette
AMG § 10 Abs. 1; UWG § 1; EU-Richtlinie § 92/27/EWG
Verfahrensgang
Tenor
Der Wert des Streitgegenstandes wird auch für das Berufungsverfahren auf 100.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Antragstellerin – ein Pharmaunternehmen – stellt das Arzneimittel „N.” zur Behandlung verschiedener Anämie-Formen her.
Die Antragsgegnerinnen befassen sich mit dem Parallelimport von Arzneimitteln. Von ihnen wird das aus Italien stammende Arzneimittel „N.” (Injektionslösung in Fertigspritze) nach Deutschland importiert und für den deutschen Markt umkonfektioniert: Es werden jeweils sechs Faltschachteln (jede enthält eine Fertigspritze) mit einem umlaufenden Klebestreifen zu einem Bündel in Klarsichthülle zusammengefasst. Sonst sind die Faltschachteln nicht weiter miteinander verbunden, so dass sie voneinander gelöst sind, wenn man den Klebestreifen aufschneidet. Von den sechs Faltschachteln ist nur eine mit einem Aufkleber der Antragsgegnerinnen versehen, der die Pflichtangaben gem. § 10 AMG enthält. Die übrigen fünf Faltschachteln im Bündel sind unverändert im Ursprungszustand mit italienischer Beschriftung und ohne Aufkleber belassen (vgl. Anlage ASt 1).
Die Antragstellerin beanstandet die Verwendung dieser Bündelpackung als wettbewerbswidrig und nimmt die Antragsgegnerinnen deswegen im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch.
In Italien, woher das parallelimportierte Arzneimittel stammt, gibt es „N.” in allen Dosierungsstärken, die im Verbotsausspruch der einstweiligen Verfügung aufgeführt sind, nur in der Packungsgröße mit jeweils einer Fertigspritze. Im Inland wird das Arzneimittel in diesen Dosierungen nur in der Packungsgröße (N 1) zu jeweils sechs Fertigspritzen vertrieben.
Das LG hat mit dem angefochtenen Urt. v. 17.4.2001 seine einstweilige Verfügung vom 20.2.2001 bestätigt, mit der den Antragsgegnerinnen unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten worden ist, das Arzneimittel „N.” (Injektionslösung in Fertigspritze) in den Dosierungsstärken 1.000 IE, 2.000 IE, 3.000 IE, 5.000 IE oder 10.000 IE italienischen Ursprungs in Bündelpackungen mit jeweils 6 in einzelnen Faltschachteln verpackten Fertigspritzen in der Bundesrepublik Deutschland in Verkehr zu bringen, ohne jede Faltschachtel mit den Pflichtangaben gem. § 10 AMG zu versehen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Antragsgegnerinnen. Die Antragstellerin verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Antragsgegnerinnen hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das LG seine einstweilige Verfügung bestätigt.
I. Gegenstand des Unterlassungsantrages ist der Vertrieb des aus Italien parallelimportierten Arzneimittels „N.” (Injektionslösung in Fertigspritze) in den genannten Dosierungsstärken unter Verwendung einer Bündelpackung mit sechs Faltschachteln mit jeweils einer Fertigspritze, bei der nicht jede Faltschachtel mit den Pflichtangaben nach § 10 AMG versehen ist.
Hierbei geht es nur um solche Packungen, bei denen die einzelnen Faltschachteln – wie im vorliegenden Verletzungsfall – nur durch ein Klebeband miteinander zu einem Bündel verbunden sind. Vom Verbot nicht erfasst sind dagegen Fallgestaltungen, bei denen die Faltschachteln etwa miteinander verklebt sind, so dass eine Vereinzelung nicht bzw. nur unter Zerstören von Faltschachteln erfolgen könnte. Das hat die Antragstellerin in der Berufungsverhandlung ausdrücklich klarstellen lassen.
II. Die Dringlichkeit für den Erlass der einstweiligen Verfügung ist auch nach Auffassung des Senats gegeben. Die für die Antragstellerin streitende Vermutung (§ 25 UWG) ist nicht widerlegt.
Der Verfügungsantrag vom 16.2.2001 ist am 20.2.2001 bei Gericht eingegangen. Das Vorbringen der Antragsgegnerinnen ergibt nicht, dass die Antragstellerin mit der Einreichung des Verfügungsantrages zu lange gewartet hätte. Es steht zwar fest, dass die Antragstellerin bereits am 5.12.2000 von der Existenz der vorliegend beanstandeten „N.”-Bündelpackung der Antragsgegnerinnen (mit nur einem Aufkleber mit den Pflichtangaben auf nur einer Faltschachtel: Anlage ASt 1) Kenntnis hatte. Dieser Umstand widerlegt aber nicht die Dringlichkeitsvermutung.
Wie zwischen den Parteien unstreitig ist, ist die jetzt angegriffene „N.”-Bündelpackung in dem vorangegangenen Verfügungsverfahren gleichen Rubrums (Beiakte LG Hamburg 312 O 704/00 ...