Leitsatz (amtlich)
Das für nicht zugelassene Arzneimittel nach § 3a HWG bestehende Werbeverbot betrifft grundsätzlich auch das Werben für ein zugelassenes Arzneimittel (hier: CSE-Hemmer) mit einer nicht zugelassenen Indikation (hier: KHK, Diabetes), davon sind aber Werbehinweise nur auf Wirkungen des Arzneimittels zu unterscheiden. Von einer bloßen Wirkangabe ist im Einzelfall auszugehen, wenn nur auf das gleich hohe Mortalitätsrisiko der Cholesterin-Patienten bei KHK und Diabetes hingewiesen wird.
Normenkette
HWG § 3a; UWG § 1
Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 315 O 720/01) |
Tenor
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 255.646 Euro (= 500.000.- DM) festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Markt der verschreibungspflichtigen sog. CSE-Hemmer (Statine) zur Senkung des LDL-Cholesteringehalts. Die Antragsgegnerin bringt u.a. das lipidsenkende Arzneimittel S. mit dem Wirkstoff Atorvastatin in den Verkehr. Die Antragsgegnerin hat für ihr Arzneimittel S. mit vier Faltblättern (jeweils vier Seiten im DIN-A-5-Format) geworben, die jeweils auf der Vorderseite (S. 1) folgendermaßen überschrieben sind: „Wenn's drauf ankommt!”, „Vertrau der Kraft!”, „Was wiegt schwerer bei Cholesterin- Patienten?” und „Die 40 für besondere Typen” (vgl. Anlagen ASt 1–4; diese DIN-A-4-Fotokopien bestehen jeweils aus zwei Blatt, das erste Blatt zeigt jeweils die Vorder- und Rückseite, das zweite Blatt jeweils die Innenseiten 3 und 4 der Folder). Das LG hatte durch einstweilige Beschlussverfügung vom 29.11.2001 der Antragsgegnerin unter Androhung von Ordnungsmitteln verboten, für das cholesterin- und triglyceridsenkende Arzneimittel „S.” mit Bezug auf die Wirksamkeit von „S.” bei KHK- und Diabetes-Patienten zu werben, wie geschehen in den vier dem Beschluss beigefügten Foldern (jeweils 2 Seiten; es folgen die Kopien Werbeblätter gem. Anlagen ASt 1–4).
Mit dem angefochtenen Urt. v. 21.12.2001 hat das LG seine einstweilige Verfügung bestätigt. Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Bestätigung der einstweiligen Verfügung, soweit sich das Verbot auf die Verwendung der Folder gem. Anlage ASt 1 (= Anlage AG BK 2) und Anlage ASt 3 (= Anlage AG BK 1) bezieht. Die Antragstellerin verteidigt insoweit das angefochtene Urteil, wobei sie bezüglich des Folders „Wenn's drauf ankommt!” statt der Fotokopie gem. Anlage ASt 1 die voll ständige Ablichtung gem. Anlage ASt BB 2 zum Gegenstand des Verfügungsantrages gemacht hat.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat in der Sache Erfolg. Demgemäß ist das landgerichtliche Urteil im Umfang der Berufung abzuändern. Gegenstand der Berufung ist – wie ausgeführt – das Urteil des LG, soweit es seine Beschlussverfügung bezüglich des Verbots der werblichen Verwendung der Werbefolder „Wenn's drauf ankommt!” (vgl. Anlage ASt 1; jetzt statt dessen die vervollständigte Fotokopie gem. Anlage ASt BB 2) und „Was wiegt schwerer bei Cholesterin-Patienten?” (Anlage ASt 3) bestätigt hat.
I. Der Unterlassungsantrag betreffend das Werben mit dem Folder: „Wenn's drauf ankommt!” (Anlage ASt BB 2) ist nach Auffassung des Senats aus den allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden § 1 UWG, § 3a HWG nicht begründet.
1. Gegenstand des Unterlassungsantrages in der überarbeiteten Fassung ist das Werben für das cholesterin- und triglycerid-senkende Arzneimittel S. in Bezug auf die Wirksamkeit des Mittels bei KHK- und Diabetes-Patienten, wie in dem Folder gem. Anlage ASt BB 2 geschehen.
2. Nach § 3a HWG ist allerdings die Werbung für ein Arzneimittel, das der Pflicht zur Zulassung unterliegt und nicht nach den arzneimittelrechtlichen Vorschriften zugelassen ist, unzulässig; hierzu gehört auch die Werbung für ein zugelassenes Arzneimittel bezüglich weitergehender, vom arzneimittelrechtlichen Zulassungsstatus nicht abgedeckter Indikationen. Denn in diesem Bereich fehlt es – wie bei einem insgesamt nicht zugelassenen Arzneimittel – an der medizinisch-pharmakologischen Überprüfung durch die Zulassungsbehörde. Der Wortlaut der in der Zulassung wiedergegebenen Anwendungsgebiete bestimmt insoweit den rechtlichen Rahmen der Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels, für nicht zu gelassene Indikationen darf nicht geworben werden. Mit § 3a HWG soll potentiellen Irreführungsgefahren auch hinsichtlich des Umfangs der medizinisch-pharmakologischen Überprüfung der Verkehrsfähigkeit und daraus resultierender Gesundheitsgefahren vorgebeugt werden (Doepner, Heilmittelwerbegesetz, 2. Aufl., § 3a HWG, Rz. 11 m.w.N.).
Voraussetzung für eine Werbung mit einer nicht zugelassenen Indikation ist aber, dass die beanstandete Angabe als Hinweis auf ein Anwendungsgebiet verstanden wird, für das das Arzneimittel nicht zugelassen ist. Wird demgegenüber in der Werbung nur auf (zusätzliche) Wirkungen des betreffenden Arzneimittels hingewiesen, so ist ein Verstoß gegen § 3a HWG nicht gegeben (OLG Hamburg MagazinDienst 2001, 1117 m.w.N.), wenn der ursächliche Zusammenhang mit der...