Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 04.05.1999; Aktenzeichen 312 O 178/99)

 

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 12, vom 4. Mai 1999 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

und beschlossen:

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 42.000 DM festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Antragsgegnerin ist ein Versandhandelsunternehmen für „Fitneßbedarf”, das u.a. in einer Versandpreisliste Mittel angeboten hat, die der angesprochene Verbraucher zu sich nehmen soll. Der Antragsteller hält das teilweise für rechtswidrig, weil es sich um nicht zugelassene Arzneimittel für Dopingzwecke handele, während die Antragsgegnerin die Auffassung vertritt, sie biete Lebensmittel an, die als Nahrungsergänzung für Sportler dienten.

Das Landgericht hat der Antragsgegnerin unter Androhung von Ordnungsmittel u.a. verboten,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs folgende Mittel ohne Zulassung als Arzneimittel (gemäß § 21 AMG) zu bewerben und/oder zu vertreiben:

  1. „Multipower Multi Amino Aminosäuretabletten”
  2. „Multipower BCAA Anabol BCAA-Tabletten”
  3. „Multipower L-Glutamin L-Glutaminkapseln”
  4. „Multipower Superamino Liquid Plus, Aminosäuren Ampullen”
  5. „Multipower Creatine Kapseln a 1000 mg”
  6. „Multipower L-Carnitine Trink Ampullen 1000 mg”
  7. „Iron Man Amino Liquid mit 500.000 mg Aminosäuren”
  8. „Iron Man L-Carnitine Liquid mit 60.000 mg L-Carnitine”
  9. „SAM's Phosphagen Creatine Kautabletten”
  10. „Perfect Nutrition Creatine 100 % Creatine Monohydratpulver”
  11. „Perfect Nutrition HMB, 100 %ß-Hydroxy-ß-Methyl-Butyrat 250 mg Kapseln”
  12. „Perfect Nutrition CLA, 60 %ig konjugierte Linolsäure 1.800 mg Kaps”
  13. „Perfect Nutrition Amino Tabs, US-Aminosäuren, 2135 mg Tabletten”
  14. „Perfect Nutrition L-Glutamin, 100 % Aminosäure L-Glutamin” Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer Berufung.
 

Entscheidungsgründe

Die Berufung hat keinen Erfolg. Die in die Berufungsinstanz gelangten Anträge sind zulässig und begründet.

1. Gegenstand des jeweiligen Antrags und Verbots ist die Bewerbung und der Vertrieb des Präparates als Arzneimittel, obgleich es als solches nicht nach § 21 AMG zugelassen ist.

Die Eigenschaft als Arzneimittel ergibt sich – wie zu zeigen sein wird – aus der Zweckbestimmung, wie sie der Verkehr nach objektiven Merkmalen aus den Gesamtumständen entnimmt. Das bedeutet nicht, daß diese Gesamtumstände im Verbot beschrieben werden müßten, denn so, wie die Präparate bisher in Erscheinung getreten sind, stellen sie Arzneimittel dar, die ohne Zulassung überhaupt nicht beworben und vertrieben werden dürfen, so daß beides verboten werden muß.

Nähme man alle Umstände, unter denen ein Mittel angeboten worden ist, oder mindestens diejenigen Umstände, die bei der Einordnung als Arzneimittel eine Rolle gespielt haben, in das Verbot auf, bestünde die Gefahr, daß die Antragsgegnerin bei Änderung einzelner Umstände aus dem Verbotsbereich käme, obwohl sich nach den verbleibenden Umständen die Zweckbestimmung nicht geändert haben müßte

Die im Verbot festgehaltene konkrete Verletzungsform wird jeweils dadurch bestimmt, daß ein nicht zugelassenes Arzneimittel beworben und vertrieben worden ist. Vertriebe und bewürbe die Antragsgegnerin das jeweilige Mittel unter Umständen, nach denen eine Einordnung als Arzneimittel nicht in Betracht käme, wäre dies nicht vom Verbot erfaßt.

2. Der Antragsteller ist nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG prozeßführungsbefugt und damit auch aktivlegitimiert. Die Antragsgegnerin ist in der Berufungsinstanz nicht mehr auf ihre Bedenken zurückgekommen. Verstöße gegen Vorschriften über die Gesundheitswerbung sind im Regelfall wesentlich im Sinne dieser Vorschrift (BGH GRUR 1998, 487 – Professorenbezeichnung in der Arztwerbung III).

3. Anspruchsgrundlagen sind für ein Werbeverbot § 3 a HWG, für ein Vertriebsverbot §§ 2, 21 AMG i.V.m. § 1 UWG.

Nach der Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 1 AMG, wonach Arzneimittel (auch) Stoffe und Zubereitungen von Stoffen sind, die dazu bestimmt sind, Körperschäden zu verhüten (Nr. 1), vom menschlichen Körper erzeugte Wirkstoffe oder Körperflüssigkeiten zu ersetzen (Nr. 3) oder durch Anwendung am oder im menschlichen oder tierischen Körper die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen (Nr. 5), würde im Regelfall jedes Nahrungsmittel dazugehören, das dazu dient, den Körper gesund und funktionsfähig zu erhalten. Andrerseits ergibt sich aus § 2 Abs. 3 Nr. 1 AMG, daß ein Lebensmittel im Sinne von § 1 LMBG nicht zugleich ein Arzneimittel sein kann. Nach dieser Vorschrift sind Lebensmittel Stoffe, die dazu bestimmt sind, von Menschen verzehrt zu werden, es sei denn, dies geschehe überwiegend zu anderen Zwecken als denen der Ernährung oder des Genusses.

Danach muß man „körperbeeinflussende” Stoffe im Sinne von § 2 Abs. 1 AMG von „ernährenden” im Sinne von § 1 LMBG unterscheiden (der Genußzweck kann hier außer Betracht bleiben) und darf nicht mit Hilfe des allgemeinen Sprachgebrauchs ver...

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