Entscheidungsstichwort (Thema)

"Die gründlichste Rasur II"

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Werbung für einen Nassrasierer "Für die gründlichste Rasur, sogar beim Rasieren gegen die Wuchsrichtung" werden jedenfalls rechtlich beachtliche Teile des Verkehrs als Alleinstellungsberühmung verstehen.

2. Eine Alleinstellungsberühmung ist irreführend, wenn der Werbende seine Mitbewerber nicht deutlich und merklich überragt. Schneidet ein Nassrasierer innerhalb von 24 Stunden durchschnittlich 14,3 Mikrometer = 0, 0143 mm mehr Barthaare ab als ein Konkurrenzprodukt, handelt es sich nicht um einen hinreichend deutlichen und merklichen Vorsprung, um die werbliche Behauptung der gründlichsten Rasur zu rechtfertigen.

 

Normenkette

UWG § 5

 

Verfahrensgang

LG Hamburg (Urteil vom 06.04.2004; Aktenzeichen 312 O 986/03)

 

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des LG Hamburg - Zivilkammer 12 - v. 6.4.2004 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Beschluss

Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 200.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien sind Wettbewerber bei der Herstellung und dem Vertrieb von Nassrasierern. Die Antragstellerin vertreibt u.a. den Rasierer "Quattro", die Antragsgegnerin den Rasierer "MACH3 Turbo".

Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin wegen einer wettbewerbswidrigen Alleinstellungsberühmung im Verfügungsverfahren auf Unterlassung in Anspruch. Vorangegangen ist ein Verfügungsverfahren auf Unterlassung der werblichen Behauptung "Keiner rasiert wie der MACH3 Turbo. Es ist weltweit die gründlichste und komfortabelste Gillette-Rasur. Garantiert!". Diese Behauptung ist der Antragsgegnerin mit einstweiliger Verfügung des LG Hamburg v. 13.10.2003 verboten worden. Gegen das bestätigende Widerspruchsurteil hat die Antragsgegnerin Berufung eingelegt, welche mit Urteil des Senats vom heutigen Tage zurückgewiesen worden ist (OLG Hamburg, Urt. v. 27.1.2005 - 5 U 48/04).

Die Antragstellerin beanstandet in diesem Verfahren die Werbeaussage "Für die gründlichste Rasur, sogar beim Rasieren gegen die Wuchsrichtung". Dieser Satz wurde auf einem selbstklebenden Sticker auf der Außenverpackung des "MACH3 Turbo" verwendet. Die Antragstellerin hält auch diese Aussage für irreführend und behauptet unter Vorlage einer in ihrem Auftrag erstellten Studie, dass ihr Rasierer "Quattro" gründlicher rasiere als der "MACH3 Turbo". Am 11.12.2003 hat das LG eine einstweilige Verfügung erlassen, mit der der Antragsgegnerin die Verwendung der genannten Werbeaussage verboten worden ist.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivortrags wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen. Gegen das Widerspruchsurteil, mit dem das LG die einstweilige Verfügung bestätigt hat, hat die Antragsgegnerin Berufung eingelegt.

Die Antragsgegnerin macht im Wesentlichen geltend:

Sie beruft sich nunmehr auf die im Parallelverfahren 5 U 48/04 eingereichte Hancock-Studie, nach der der "MACH3 Turbo" im Schnitt 14,3 Mikrometer innerhalb von 24 Stunden gründlicher rasiere als der "Quattro" (Anlage Bk4). Die Detailergebnisse bezüglich jedes einzelnen Studienteilnehmers legt sie als Anlagen BK 9 und BK 10 vor. Ferner reicht sie als zusätzliche Glaubhaftmachungsmittel einen in den USA durchgeführte Verbraucherumfrage und einen Testbericht der Stiftung Warentest ein (Anlagen BK 2 und Bk 7). Schließlich verweist sie auf einen Werbespot der Antragstellerin, aus dem sich ergebe, dass auch nach Auffassung der Antragstellerin eine lang anhaltende Rasur einen relevanten Vorteil darstelle.

Die Antragstellerin hält die Vorlage der Hancock-Studie für verspätet und auch in der Sache nicht für geeignet, einen deutlichen Vorsprung des "MACH3 Turbo" ggü. dem "Quattro" nachzuweisen. Den Test der Stiftung Warentest hält sie wegen der Untersuchungsmethode (Verbraucherumfrage mit 30 Testpersonen, Anlage BB 3) nicht für aussagekräftig. Im Übrigen verteidigt sie im Wesentlichen das landgerichtliche Urteil.

II. Die Berufung der Antragsgegnerin ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Der Senat folgt dem landgerichtlichen Urteil. Zu den Angriffen der Berufung ist Folgendes auszuführen:

1. Erstmals in der Berufungsverhandlung hat die Antragsgegnerin erneut den Verfügungsgrund in Frage gestellt. Diesen hat das LG indessen mit überzeugender Begründung bejaht. Dem schließt sich der Senat an.

2. Ebenfalls zu Recht hat das LG die angegriffene Aussage als Alleinstellungsberühmung gewertet. Dies hat auch die Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren nicht in Zweifel gezogen. Zwar fehlt ein direkter Bezugspunkt zum sonstigen Markt wie im Parallelverfahren 5 U 48/04 ("Keiner rasiert so wie der MACH3 Turbo"). Die Verwendung eines Superlativs und/oder eines bestimmten Artikels (hier beides verwirklicht) werden jedoch in der Rechtsprechung regelmäßig als Alleinstellungsberühmungen gewertet (Harte/Henning/Weidert, UWG, § 5 Rz. 698 ff., m.w.N.). Spätestens durch den Zusatz "sogar gegen die Wuchsrichtung" wird de...

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