Leitsatz (amtlich)
1. Dass der Antragsteller vor Erlass der einstweiligen Verfügung nach entsprechenden Hinweisen des Gerichts seinen Antrag nachgebessert und zudem weitere Abbildungen des angegriffenen Produkts einreicht, ist nicht dringlichkeitsschädlich, wenn dies nach den gerichtlichen Hinweisen zeitnah geschieht.
2. Die Frage der Eilbedürftigkeit eines Verfügungsantrages stellt sich immer bezogen auf einen konkreten Streitgegenstand. Bei wesentlichen Sachverhaltsabwandlungen fehlt es an der Kerngleichheit. In einem solchen Fall kann die Dringlichkeitsvermutung für den neu gestellten Verfügungsantrag durch frühere andere Verletzungshandlungen nicht widerlegt werden.
3. Lässt sich dem Zutatenverzeichnis einer Trinknahrung entnehmen, dass das Produkt Aromen, aber keine Anteile der Gemüsesorten enthält, die nach den Angaben auf der Vorderseite des Produkts dessen Geschmacksrichtung bestimmen sollen, dann nimmt der Verkehr - wenn nicht andere Angaben auf der Verpackung in diese Richtung weisen - nicht an, dass es sich um ein Produkt auf Gemüsebasis handeln könnte (Anschluss an: BGH, GRUR 2016, 738, Rn. 15 - Himbeer-Vanille-Abenteuer II).
Normenkette
UWG §§ 3, 3a, 8, 12 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 416 HKO 49/18) |
Tenor
Die Berufung der Antragstellerin gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Kammer 16 für Handelssachen, vom 23.05.2018 (Az. 416 HKO 49/18) wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das landgerichtliche Urteil und das vorliegende Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Parteien, Wettbewerber auf dem Gebiet des Vertriebs von Trink- und Sondennahrung, streiten darüber, ob die Produktaufmachungen der Sorten "Champignon", "Tomate-Karotte" und "Spargel" des Trinknahrungsproduktes "FB.* 2 kcal Drink" der Antragsgegnerin irreführend sind.
Diese Trinknahrungen, deren Gemüsegeschmack ausschließlich durch Aromen erzeugt wird und in denen keine Bestandteile des jeweils namensgebenden Gemüses enthalten sind, hat die Antragsgegnerin im Januar 2018 auf den Markt gebracht. Zuvor hatte die Antragsgegnerin mit Wissen der Antragstellerin bereits andere Sorten des Trinknahrungsproduktes "FB.* 2 kcal Drink" sowie zahlreiche weitere Trinknahrungsprodukte vertrieben, deren Produktaufmachung der der drei neuen Sorten weitgehend entspricht und deren Geschmack ebenfalls ausschließlich auf der Verwendung von Aromen beruht. Hierbei handelte es sich allerdings nicht um Produkte mit herzhaftem Geschmack, sondern ausschließlich um solche mit süßer bzw. neutraler Ausrichtung (vgl. Anlagenkonvolut AG 5).
Die Antragstellerin hat am 29.1.2018 von den drei neuen Trinknahrungssorten Kenntnis erlangt und in der Folge die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 15.2.2018 erfolglos abgemahnt.
Mit Schriftsatz vom 28.2.2018 hat die Antragstellerin beim Landgericht Hamburg den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Antragsgegnerin beantragt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Antragsgegnerin erwecke mit den Verkehrsbezeichnungen "Champignon", "Tomate-Karotte" und "Spargel" den unzutreffenden Eindruck, in den Produkten seien Anteile der genannten Gemüsesorte(n) enthalten. Insbesondere bei herzhaft schmeckenden Trinknahrungsprodukten erwarte der Verkehr, dass entsprechende geschmacksgebende Zutaten enthalten seien, und zwar nicht ausschließlich in Form von Aromen und Geschmacksverstärkern. Dass auf dem Etikett jeweils auch "Geschmack" stehe, ändere an der Irreführung nichts. Dieser Hinweis sei gegenüber der Verkehrsbezeichnung so klein gehalten, dass er leicht übersehen werde. Auch bedeute der Hinweis "Geschmack" nicht, dass das Produkt in Bezug auf das namensgebende Gemüse ausschließlich aus künstlichen Aromen, Geschmacksverstärkern und Farbstoffen bestehe.
Nachdem die Antragstellerin ihren Antrag nach einem telefonischen Hinweis des Landgerichts vom 07.03.2018 mit Schriftsatz vom selben Tag neu formuliert und nach einem weiteren richterlichen Hinweis am 08.03.2017 weitere Abbildungen der Trinknahrungen als Anlage AS 7 eingereicht hat, hat das Landgericht, Zivilkammer 12, am 09.03.2018 antragsgemäß unter dem Az. 312 O 71/18 eine einstweilige Verfügung gegen die Antragsgegnerin erlassen.
Hiergegen legte die Antragsgegnerin Widerspruch ein und beantragte zugleich die Abgabe an die Kammer für Handelssachen. Zur Begründung des Widerspruchs hat sie vorgetragen:
Es fehle an einem Verfügungsgrund. Aufgrund der mehrfachen Nachbesserung des Antrags sei die von den Hamburger Gerichten zugebilligte Frist von einem Monat nicht gewahrt. Im Übrigen fehle es auch deshalb an einer Dringlichkeit, weil die Antragstellerin trotz Kenntnis nicht gegen frühere kerngleiche Handlungen vorgegangen sei. Der Kern des vorliegenden Verbotes bestehe ausschließlich in der Darstellung und Verwendung des Begriffes "Geschmack"; die drei verwendeten Gemüsenamen gäben hingegen nicht den Kern des Unterlassungsbegehrens wieder. Mithin verfolge die Antragstellerin im Rahmen dieses Verf...