Leitsatz (amtlich)
Die Versendung von Einkaufsgutscheinen über 30 DM an 1,5 Mio. Gewerbetreibende durch einen Internet-Versandhandel für Büroartikel verstößt auch nach der Aufhebung der ZugabeVO und des RabattG gegen § 1 UWG.
Normenkette
UWG § 1
Verfahrensgang
LG Hamburg (Aktenzeichen 407 O 61/01) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Hamburg – Kammer 16 für Handelssachen – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer der Beklagten beträgt 15.290 DM.
Tatbestand
Der Kläger, ein Wettbewerbsverein, nimmt die Beklagte auf Unterlassung einer Werbung mit Einkaufsgutscheinen in Anspruch. Die Beklagte betreibt im Internet einen Versandhandel mit Büroartikeln. Sie führt nach eigenen Angaben 14.000 Büroartikel im Sortiment, darunter eine Vielzahl von Billigartikeln (Kugelschreiber, Briefumschläge usw.). Ab einem Bestellwert von 100 DM liefert die Beklagte versandkostenfrei.
Mitte April 2000 verschickte die Beklagte an ca. 1,5 Mill. Gewerbetreibende Einkaufsgutscheine über 30 DM. Diese sollten bei der ersten Bestellung eingelöst werden. Die Gültigkeit des Gutscheins war befristet bis zum 19.4.2000.
Der Kläger hat seine Unterlassungsklage auf § 1 ZugabeVO und § 1 UWG gestützt. Das LG hat ihr aus § 1 UWG unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens stattgegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags und der Erwägungen des LG wird gem. § 543 ZPO auf das erstinstanzliche Urteil Bezug genommen.
Die Beklagte macht mit ihrer Berufung im wesentlichen geltend, dass sich das Verbraucherleitbild geändert habe. Der Verbraucher lasse sich nicht mehr so leicht verführen. Das komme auch in der Abschaffung von RabattG und ZugabeVO zum Ausdruck.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung bleibt in der Sache erfolglos. Zu Recht hat das LG die Beklagte dazu verurteilt es zu unterlassen, an Gewerbetreibende Einkaufsgutscheine über 30 DM zu versenden und der Ankündigung entsprechend einzulösen.
1. Die Aktivlegitimation des Klägers ist nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG aus den zutreffenden Gründen des landgerichtlichen Urteils zu bejahen. Diese Würdigung wird auch von der Beklagten mit ihrer Berufung nicht angegriffen.
2. Zutreffend hat das LG nur auf § 1 UWG als Anspruchsgrundlage abgestellt. Die mittlerweile aufgehobene ZugabeVO war auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil Einkaufsgutscheine auf die Einlösung von Waren gerichtet sind, also auf den Kaufpreis der Bestellung angerechnet werden; damit war der Ausnahmetatbestand des § 1 Abs. 2c der ZugabeVO erfüllt (Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., § 1 ZugabeVO Rz. 34,35). Daraus folgt zugleich, dass aus der Aufhebung der ZugabeVO nicht die Zulässigkeit der hier streitigen Einkaufsgutscheine hergeleitet werden kann.
3. Nach st. Rspr. können Geld- und Warengeschenke – sog. Wertreklame – unter dem Gesichtspunkt des übertriebenen Anlockens unlauter gem. § 1 UWG sein, wie es das LG ausgeführt hat. Trifft der Kunde seine Kaufentscheidung nicht mehr nach Güte und Preiswürdigkeit, sondern danach, wie er in den Genuß des Werbemittels kommt, ist die Werbung wettbewerbswidrig. Dabei sind Geldgeschenke – darunter fallen Warengutscheine mit einem bestimmten Geldwert – als besonders anlockend anzusehen.
Wie das LG gleichfalls überzeugend dargelegt hat, ist eine Geldzuwendung im Bereich von Massenprodukten im Pfennigpreisbereich, wie sie im Büroartikelbereich vorkommen und jedenfalls auch von der Beklagten geführt werden, durchaus als erheblich anzusehen. Hinzu kommt, dass es gerade bei Büroartikeln problemlos möglich ist, sich für längere Zeit zu bevorraten und diese auch privat zu benutzen. Gewerbetreibende, die als Kaufleute ihre Kosten niedrig halten müssen, werden durch ein so offensichtliches „Schnäppchen” in wettbewerbsrechtlich nicht mehr hinnehmbarer Weise davon abgehalten, sich mit Konkurrenzanbietern und der Qualität der Ware zu befassen.
Außerdem wird durch den Gutschein i.V.m. der Versandkostenfreiheit ab einem Bestellwert von 100 DM gerade für kleine Gewerbetreibende ein zusätzlicher Anreiz geschaffen, Büroartikel in größerer als benötigter Menge auf Vorrat zu bestellen.
Schließlich hat das LG zu Recht auf die Nachahmungsgefahr und die langfristigen Auswirkungen auf den Büroartikelmarkt abgestellt, wenn eine solche Werbung Schule machen sollte. Bei der Lauterkeitsprüfung von Wertreklame entsprechen auch wirtschaftspolitische Erwägungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. etwa BGH GRUR 1995, 353 „Super-Spar-Fahrkarten”, wo ausgeführt ist, dass die zunehmende Gewährung von Fahrkartenvergünstigungen im Nahverkehr durch Versicherungsunternehmen an ihre Kunden dazu führen würde, dass immer weniger Kunden den Normaltarif bezahlten und diese Kunden und/oder die Allgemeinheit die durch die Preisnachlässe verursachten Kosten mittragen müssten).
4. Die Lauterkeitsprüfung nach § 1 UWG führt hier auch nicht deshalb zu einem anderen Ergebnis, weil aus der zwischenz...