Leitsatz (amtlich)
1. Der Streitwert eines einstweiligen Verfügungsverfahrens gerichtet auf Zahlung von Krankentagegeld bemisst sich nach dem um ein Drittel verminderten Hauptsachewert.
2. Der Streitwert einer Klage auf Feststellung der Verpflichtung zu zukünftigen Tagesgeldleistungen bemisst sich nach dem Bezug von sechs Monaten vermindert um einen Feststellungsabschlag von 20 %. Offen bleibt, ob eine solche Klage überhaupt zulässig ist.
Verfahrensgang
LG Essen (Beschluss vom 16.12.2010; Aktenzeichen 18 O 325/10) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin wird die Streitwertfestsetzung des LG abgeändert.
Der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren wird auf 17.100 EUR festgesetzt.
Gründe
1. Durch Beschluss vom 16.12.2010 hat das LG den mit Schriftsatz vom 6.12.2010 gestellten und bei Gericht am 9.12.2010 eingegangenen Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweilen Anordnung, mit der der Antragsgegnerin auferlegt werden sollte, an ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des anhängig zu machenden Hauptsacheverfahrens ein tägliches Krankentagegeld von 100 EUR zu zahlen, zurückgewiesen. Zugleich hat das LG den Streitwert unter Zugrundelegung einer geschätzten Mindestdauer eines Hauptsacheverfahrens von drei Monaten auf 9.000 EUR festgesetzt.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin, mit der diese geltend machen, dass die Streitwertfestsetzung nach § 9 ZPO zu erfolgen habe, wobei wegen der lediglich vorläufigen Regelung ein Abschlag von 50 % in Betracht komme. In jedem Fall erscheine die Schätzung der Dauer des Hauptsacheverfahrens mit drei Monaten als zu gering. Angesichts der Erforderlichkeit der Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens dürfte eine Verfahrensdauer für das Hauptsacheverfahren von neun Monaten die absolute Untergrenze darstellen. Zudem müssten bei der Streitwertfestsetzung auch die rückständigen Beträge berücksichtigt werden.
Der Antragsteller ist der Beschwerde entgegen getreten und hat geltend gemacht, dass davon auszugehen sei, dass das Gericht das Hauptsacheverfahren mit der gebotenen Beschleunigung betrieben haben würde, so dass dessen Dauer sieben Monate nicht überschritten hätte.
2. Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin, mit der diese eine Höhersetzung des Streitwertes begehren, ist nach den §§ 32 Abs. 2 RVG, 68 Abs. 1 GKG zulässig.
Sie führt zu einer Höhersetzung des erstinstanzlichen Streitwertes auf 17.100 EUR .
2.1. Grundsätzlich liegt der Streitwert für das einstweilige Verfügungsverfahren unter dem der Hauptsache, weil allein eine vorläufige Regelung im Raum steht. Deshalb ist im Regelfall eine Bruchteilsbewertung im Rahmen der unteren Hälfte des Hauptsachewertes vorzunehmen (vgl. Zöller/Herget, 28. Aufl., § 3 ZPO Rz. 16 Stichwort Einstweilige Verfügung). Eine andere Bewertung kommt allerdings in Betracht, wenn die einstweilige Verfügung der Verwirklichung des Hauptsachebegehrens gleich oder nahe kommt. Dies ist bei einer einstweiligen Verfügung auf Zahlung von Krankentagegeld der Fall, wenn der Antragsteller, wie hier, geltend macht, wirtschaftlich auf die Krankentagegeldleistung mangels anderweitigen Einkommens oder Vermögens angewiesen zu sein. Dem Umstand, dass deshalb der Erlass der beantragten Verfügung für den Zeitraum ihrer Gültigkeit befriedigungsähnlichen Charakter gehabt hätte, ist dadurch Rechnung zu tragen, dass anstelle einer Verminderung des Hauptsachewertes um 2/3 lediglich eine solche um 1/3 vorgenommen wird. Da jedoch auch in Fällen wie diesen das volle Befriedigungsinteresse nicht erreicht wird, kommt das Unterbleiben eines jeglichen Abschlags nicht in Betracht.
2.2 Hat der Antragsteller - wie hier - das Hauptsacheverfahren noch nicht anhängig gemacht, ist für die Streitwertbemessung davon auszugehen, dass er dieses gleichzeitig eingeleitet und dabei diejenige Klageart gewählt hätte, mit der er sein Begehren in möglichst zulässiger Weise hätte verfolgen können.
Mit der Leistungsklage hätte er auf zukünftige Leistung jedenfalls nicht in zulässiger Weise klagen können, weil die zukünftigen Tagegeldansprüche noch nicht entstanden waren, sondern erst mit dem jeweiligen Tag bedingungsgemäßer Arbeitsunfähigkeit entstehen (Tschersich in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-
Handbuch, 2. Aufl., § 45 Rz. 107). Eine zulässige Leistungsklage hätte der Antragsteller deshalb allein wegen der rückständigen Beträge erheben können. Rückständig gem. § 42 Abs. 6 Satz 1 GKG waren zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfügungsverfahrens die Beträge vom 13.11.2010 bis zum 9.12.2010, so dass sich insoweit ein Wert von (27 Tage zu je 100 EUR =) 2.700 EUR ergibt.
Hinsichtlich zukünftiger Krankentagegeldansprüche hätte der Kläger allenfalls Feststellungsklage erheben können, die auf Feststellung der Verpflichtung, Leistungen aus der Krankentagegeldversicherung für die ungewisse Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu erbringen, gerichtet gewesen wäre. Ob ...