Leitsatz (amtlich)
Zur ausreichenden Begründung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs, wenn mit diesem geltend gemacht wird, der Betroffene sei unzulässig nicht vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden worden.
Verfahrensgang
AG Recklinghausen (Entscheidung vom 16.03.2004) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Das angefochtene Urteil wird mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Recklinghausen zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der Landrat des Kreises Recklinghausen hat mit Bußgeldbescheid vom 16. Juli 2003 gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften eine Geldbuße von 75,00 EUR festgesetzt. Den hiergegen gerichteten Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht im angefochtenen Urteil nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen. In den Urteilsgründen hat es ausgeführt:
"Der Betroffene ist in dem heutigen Termin zur Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben. Der Einspruch ist daher nach § 74 Absatz 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) verworfen worden."
Dieser Entscheidung liegt folgender Verfahrensgang zu Grunde:
Der Betroffene hatte gegen den Bußgeldbescheid vom 16. Juli 2003 rechtzeitig Einspruch eingelegt. Das Amtsgericht hat daraufhin Termin zur Hauptverhandlung auf den 16. März 2004 anberaumt. Der Verteidiger hat zuvor am 15. März 2004 in einem Telefonat mit dem Tatrichter beantragt, den Betroffenen vom persönlichen Erscheinen zu entbinden, da die Fahrereigenschaft des Betroffenen festgestellt, dieser sich umfassend zur Sache eingelassen habe und keine weitere Äußerung beabsichtigt sei. Diesen Antrag hat der Verteidiger dann in einem Schriftsatz vom gleichen Tag, der noch am 15. März 2004 um 13.46 beim Amtsgericht eingegangen ist, wiederholt. Im Hauptverhandlungstermin sind weder der Betroffene noch sein Verteidiger erschienen.
Der Betroffene rügt mit seiner Rechtsbeschwerde insbesondere, dass das Amtsgericht seinem Entbindungsantrag nicht nachgekommen und den Einspruch in der Hauptverhandlung wegen seines unentschuldigten Ausbleibens verworfen habe. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen.
II.
Die Rechtsbeschwerde war gem. § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG zuzulassen, da es geboten ist, das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben. Dieser Zulassungsgrund wird durch § 80 Abs. 2 OWiG nicht eingeschränkt (vgl. OLG Hamm, Senat im Beschluss vom 27. Mai 2004, 2 Ss OWi 332/04; Beschl. v. 28. Oktober 2003, 1 Ss OWi 664/03; OLG Düsseldorf NZV 1992, 43; OLG Köln NStZ 1988, 31; Göhler, OWiG, 13. Aufl., § 80 Rn. 16 i).
Für die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ist, da deren Zulassung auf § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG beruht, der Einzelrichter zuständig (vgl. OLG Düsseldorf DAR 2001, 515; OLG Köln, NZV 1998, 476; Göhler, a.a.O., § 80 a Rn. 3).
1.
Die Verfahrensrüge des Betroffenen, mit der er die Gesetzwidrigkeit der Einspruchsverwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG geltend macht und damit auch die Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, entspricht den Anforderungen der §§ 79 Abs. 3, 80 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Nach den genannten Vorschriften muss bei einer Verfahrensrüge der Tatsachenvortrag so vollständig sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein auf Grund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen des Betroffenen zutrifft (Senat, a.a.O., OLG Hamm, a.a.O.; siehe auch Senat in NStZ-RR 1999, 23 = VRS 99, 60 = StraFo 1999, 132 = NZV 1999, 220; Göhler, a.a.O., § 79 Rn. 27 d). Wird die Versagung rechtlichen Gehörs gerügt, muss in der Begründungsschrift durch entsprechenden Tatsachenvortrag schlüssig dargelegt werden, dass ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG vorliegt. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs gibt einen Anspruch darauf, sich zu allen entscheidungserheblichen und dem Betroffenen nachteiligen Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern (OLG Köln NZV 1999, 264; 1992, 419; Senat, a.a.O.). Bleibt der Betroffene trotz ordnungsgemäßer Ladung der Hauptverhandlung fern und wird daraufhin der Einspruch des Betroffenen durch Urteil gem. § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, so kann die Einspruchsverwerfung das Recht des Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzen, wenn rechtzeitig vorgebrachte und hinreichende Entschuldigungsgründe von dem erkennenden Gericht nicht berücksichtigt worden sind (vgl. BayObLG DAR 2003, 463; OLG Köln NZV 1999, 264, 265) oder einem rechtzeitig gestellten Antrag auf Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen (§ 73 Abs. 2 OWiG) zu Unrecht nicht entsprochen worden ist (vgl. BayObLG DAR 2000, 578; Senat im Beschluss vom 27. Mai 2004 mit weiteren Nachweisen; Göhler, a.a.O. § 80 Rn. 16 b). Bei der Rüge der unzulässig unterbliebenen Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen, die ...