Leitsatz (amtlich)
1. Die Begründung des Aussetzungsbeschlusses muss ausreichende Erwägungen zur Ermessensausübung erkennen lassen.
2. Es bedarf einer Abwägung der Tatsachen, die eine Aussicht auf bessere Erkenntnis im Strafverfahren eröffnen, mit den achtenswerten Interessen des Klägers an einer alsbaldigen Entscheidung über sein Begehren, also ihrem Interesse an der Beachtung des Beschleunigungsgebots. Dabei ist u.a. auch der Stand des Strafverfahrens zu beachten. Bei einem schon weit fortgeschrittenen Strafverfahren ist eine Aussetzung eher vertretbar, als bei einem noch im Anfangsstadium befindlichen.
Normenkette
ZPO §§ 149, 252
Verfahrensgang
LG Hagen (Beschluss vom 28.10.2011; Aktenzeichen 6 O 276/11) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss der 6. Zivilkammer des LG Hagen vom 28.10.2011 aufgehoben.
Die Sache wird an das LG zurückverwiesen.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen Unterschlagung sicherungsübereigneter Waren und wegen Eingehungsbetruges in Anspruch. Wegen der Einzelheiten wird auf Ziff. I. des angefochtenen Beschlusses sowie auf die Klageschrift verwiesen.
Gegen den Beklagten hat die Klägerin wegen der auch hier verfahrensgegenständlichen Taten Strafanzeige erstattet. Bei der Staatsanwaltschaft Hagen ist insoweit ein Ermittlungsverfahren unter dem Aktenzeichen 300 Js 1596/10 anhängig. Im Rahmen dieses Verfahrens ist zu Durchsuchungen und Beschlagnahmen gekommen.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das LG (Einzelrichter) das Zivilverfahren nach § 149 Abs. 1 ZPO ausgesetzt. Es führt insoweit aus:
"Das hiesige Verfahren war auszusetzen, da die Kammer der Überzeugung ist, dass die Ermittlungen in dem vorbezeichneten Strafverfahren auf die hiesige Entscheidung von Einfluss ist. Nachdem die Staatsanwaltschaft bereits Durchsuchungen durchgeführt hat, steht zu erwarten, dass die von der Klägerin erhobenen Vorwürfe einer Klärung zugeführt werden können, unabhängig davon, ob diese Klärung zugunsten oder zu Lasten des Beklagten ausfällt.
Soweit die Klägerin der Auffassung ist, dass ein Zivilverfahren nach § 149 Abs. 1 ZPO nur ausgesetzt werden dürfe, wenn das Strafverfahren innerhalb eines Jahres abgeschlossen sei, findet dies im Gesetzeswortlaut keine Stütze. § 149 Abs. 2 ZPO gibt den Parteien die Möglichkeit, die Fortsetzung des Rechtsstreits nach Ablauf eines Jahres seit der Aussetzung zu verlangen. Dies führt jedoch nur dann zu einer Fortsetzung, wenn nicht gewichtige Gründe für die Aufrechterhaltung der Aussetzung sprechen."
Gegen den Beschluss hat die Klägerin sofortige Beschwerde eingelegt. Wegen der Einzelheiten ihrer Begründung wird auf den Schriftsatz vom 8.11.2011 verwiesen. Dem ist der Beklagte entgegengetreten. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 7.12.2011 verwiesen. Das LG hat dem Rechtsmittel - ohne weitere Begründung - nicht abgeholfen.
II. Die statthafte (§ 252 ZPO) und auch ansonsten zulässige Beschwerde ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses.
1. Die Entscheidung über den Aussetzungsantrag nach § 149 ZPO ist Ermessensentscheidung; ergibt sich der Verdacht einer Straftat, deren Ermittlung auf die Beurteilung des im Zivilrechtsstreit verfolgten Anspruches von Einfluss sein könnte, so kann das Gericht die Verhandlung bis zur Erledigung des Strafverfahrens aussetzen. Daraus folgt, dass das Beschwerdegericht nur nachzuprüfen hat, ob das - erstinstanzlich tätige - Gericht die Maßstäbe erkannt und seiner Ermessensentscheidung zugrunde gelegt hat, die nach dem Zweck der Vorschrift "einschlägig" sind, welche die Ermessensentscheidung eröffnet (OLG Frankfurt VersR 2002, 635; LArbG Berlin-Brandenburg Beschl. v. 6.1.2011 - 7 Ta 2606/10 - juris). Die Begründung des Aussetzungsbeschlusses muss ausreichende Erwägungen zur Ermessensausübung erkennen lassen (BGH, Beschl. v. 17.11.2009 - VI ZB 58/08 m.w.N.; OLG Düsseldorf NJW-RR 1998, 1531; OLG Bremen Beschl. v. 16.12.2010 - 2 W 114/10). Das Beschwerdegericht darf hingegen seine eigenen Ermessenserwägungen nicht an die Stelle des Ausgangsgerichts setzen (OLG Düsseldorf, a.a.O.).
Diesen Anforderungen wird der angefochtene Beschluss nicht gerecht.
Die Aussetzungsentscheidung enthält lediglich knappe pauschale Erwägungen dazu, dass die Vorwürfe, die auch Gegenstand des Zivilverfahrens sind, im Strafverfahren einer Klärung zugeführt werden können. Das ist freilich in jedem parallel laufenden Strafverfahren möglich, ohne dass dies ohne weiteres jeweils zur Aussetzung des Verfahrens berechtigen würde. Es fehlt aber an einer Abwägung der Tatsachen, die eine Aussicht auf bessere Erkenntnis im Strafverfahren eröffnen, mit den achtenswerten Interessen der Klägerin an einer alsbaldigen Entscheidung über sein Begehren, also ihrem Interesse an der Beachtung des Beschleunigungsgebots (vgl. BGH, Beschl. v. 17.11.2009 - VI ZB 58/08; OLG Düsseldorf NJW 1980, 2534; OLG Frankfurt VersR 2002, 635). Dabei wäre u.a. auch der Stand des Strafverfahrens zu beachten gewesen. So ist bei ei...