Leitsatz (amtlich)
Führt der Anwalt einer Partei in einem Anwaltsprozess mit dem Gericht oder der nicht ordnungsgemäß vertretenen Gegenpartei im Verhandlungstermin ein Rechtsgespräch, verdient er hierdurch keine 10/10-Erörterungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO, sondern nur eine 5/10-Verhandlungsgebühr nach § 33 Abs. 1 S. 1 BRAGO.
Normenkette
BRAGO § 31 Abs. 1 Nr. 4, § 33 Abs. 1 S. 1; ZPO § 78
Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 12 O 96/02) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Verfügungsklägerin nach einem Gegenstandswert von 379 Euro zurückgewiesen.
Gründe
Der als „Erinnerung” bezeichnete Rechtsbehelf der Verfügungsklägerin ist als sofortige Beschwerde zulässig (§§ 104 Abs. 3 S. 1 ZPO, 11 Abs. 1 RPflG), aber unbegründet.
Die Rechtspflegerin hat für die Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin im Kammertermin vom 15.3.2002 zu Recht lediglich eine 5/10-Verhandlungsgebühr nach § 33 Abs. 1 S. 1 BRAGO für eine nicht streitige Verhandlung und keine 10/10-Erörterungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO angesetzt.
Eine Erörterung i.S.v. § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO setzt ein Rechtsgespräch über streitige, den Prozessstoff betreffende Fragen voraus, das zwischen den Parteien bzw. zwischen diesen und dem Gericht geführt werden kann (s. OLG Hamm, Beschl. v. 7.3.1996 – 23 W 79/96, JurBüro 1997, 139 [140]; v. 28.9.1995 – 23 W 43/95, JurBüro 1996, 249; Göttlich/Mümmler, BRAGO, 20. Aufl., Anm. 3.1 zum Stichwort „Erörterungsgebühr”). Dabei kann es im Einzelfall zwar ausreichen, dass eine Erörterung allein zwischen dem Gericht und einer Partei stattfindet, ohne dass sich die andere Partei beteiligt. Es ist jedoch der von der Rechtspflegerin in dem angefochtenen Beschluss vertretenen Ansicht beizupflichten, dass der Prozessbevollmächtigte einer Partei keine Erörterungsgebühr verdienen kann, wenn die andere Partei in einem Anwaltsprozess entgegen § 78 ZPO nicht durch einen bei dem jeweiligen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt vertreten ist. Eine Besprechung der Angelegenheit zwischen dem Gericht und dem erschienenen Prozessbevollmächtigten, eventuell unter Einbeziehung der lediglich persönlich vertretenen anderen Partei, stellt in einem Anwaltsprozess keine Erörterung i.S.v. § 31 Abs. 1 Nr. 4 BRAGO dar.
Durch die Einfügung der Erörterungsgebühr als zusätzlichen Gebührentatbestand in die BRAGO sollten Unbilligkeiten ausgeräumt werden, die sich aus der engen Fassung der Verhandlungsgebühr in § 31 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO dadurch ergaben, dass diese erst durch eine Antragstellung im Termin ausgelöst wird. Für den Fall, dass bereits ein streitiges Rechtsgespräch stattgefunden hat und eine Antragstellung etwa wegen eines Vergleichsschlusses unterblieben ist, sollte durch die Erörterungsgebühr ein Ausgleich gebührenrechtlicher Art für eine Prozesslage geschaffen werden, die ansonsten erst bei einer Antragstellung in der mündlichen Verhandlung entstanden wäre (Göttlich/Mümmler, BRAGO, 20. Aufl., Anm. 3.1 zum Stichwort „Erörterungsgebühr”; von Eicken in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., Rz. 147). Aus diesem subsidiären Charakter der Erörterungsgebühr folgt, dass sie ebenso wie eine 10/10-Verhandlungsgebühr für eine streitige Verhandlung nicht entstehen kann, wenn eine Partei im Termin nicht ordnungsgemäß vertreten ist (von Eicken in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., Rz. 156; Gebauer in Anwaltkommentar, § 31 BRAGO Rz. 293 f.; Göttlich/Mümmler, BRAGO, 20. Aufl., Anm. 3.1 zum Stichwort „Erörterungsgebühr). In einem solchen Fall ist von vornherein klar, dass das Verfahren nur einseitig durchgeführt werden kann, so dass nur eine 5/10-Verhandlungsgebühr nach § 33 Abs. 1 S. 1 BRAGO und keine volle Verhandlungsgebühr entstehen kann, an deren Stelle im Falle einer unterbliebenen Antragstellung eine Erörterungsgebühr treten könnte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewertes, der dem Abänderungsbegehren der Verfügungsklägerin entspricht, beruht auf §§ 12 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.
Dr. Funke
RiOLG
Fundstellen
Haufe-Index 1106191 |
JurBüro 2002, 640 |
OLGR Hamm 2003, 83 |
AGS 2003, 201 |
KammerForum 2003, 271 |