Leitsatz (amtlich)
Rutscht ein Fußgänger auf Splitt und Schotter im Bereich einer aufgebrochenen Asphaltdecke eines Gehwegs aus, muss keine abhilfebedürftige Gefahrenstelle vorliegen, die eine Haftung der verkehrssicherungspflichtigen Stadt begründet, wenn ein aufmerksamer Fußgänger die Schadstelle bei nur beiläufiger Beobachtung des Weges erkennen und sich auf eine Rutschgefahr einstellen kann.
Normenkette
BGB §§ 253, 839, 2459; GG Art. 34; StrWG NRW §§ 2, 9, 9a, 47
Verfahrensgang
LG Arnsberg (Aktenzeichen 2 O 550/18) |
Tenor
weist der Senat nach Beratung darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Der Klägerin wird Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses zu dem Hinweis Stellung zu nehmen oder die Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen.
Gründe
Die Berufung ist zulässig, hat aber nach einstimmiger Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats. Auch eine mündliche Verhandlung, von der neue entscheidungserhebliche Erkenntnisse nicht zu erwarten sind, ist nicht geboten, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die mit der Berufung gegenüber dem angefochtenen Urteil erhobenen Einwände rechtfertigen weder die Feststellung, dass die erstinstanzliche Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO), noch ergeben sich daraus konkreten Anhaltspunkte, die Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und eine erneute Feststellung gebieten. Die daher nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen rechtfertigen keine abweichende Entscheidung.
Der Klägerin steht aufgrund ihres Unfalls vom 12.03.2018 gegen 13.45 Uhr auf dem Gehweg der K-Straße in Höhe des Hauses Nr. 26 im Gebiet der beklagten Stadt kein Schadensersatzanspruch gegen diese gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG, 9, 9a, 47 StrWG NW als der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage zu.
1. Mit Recht wendet sich allerdings die Berufung gegen die Ausführungen des Landgerichts, die Klägerin treffe ein anspruchsausschließendes Mitverschulden. Das Landgericht verkennt, dass die Haftung aus einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nicht schon dann vollständig entfällt, wenn der Geschädigte bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt eine pflichtwidrig bestehende Gefahrenstelle hätte erkennen und umgehen können. Die haftungsrechtliche Gesamtverantwortung für das Unfallereignis würde damit allein auf den Geschädigten verlagert, obwohl der Verkehrssicherungspflichtige eine maßgebliche Ursache für das Schadensereignis gesetzt hat. Dieses Ergebnis widerspräche dem Schutzzweck der verletzten Verkehrssicherungspflicht, die auch solche Verkehrsteilnehmer vor Schäden bewahren soll, die nicht stets ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit und Vorsicht walten lassen. Ein die Haftung des Verkehrssicherungspflichtigen ausschließender, weit überwiegender Verursachungsbeitrag des Geschädigten kann daher nur angenommen werden, wenn das Handeln des Geschädigten von einer ganz besonderen, schlechthin unverständlichen Sorglosigkeit gekennzeichnet ist (vgl. BGH, Urteil vom 20.06.2013 zu III ZR 326/12, VersR 2013, S. 1322).
Zu einem Sorgfaltsverstoß von diesem Gewicht fehlen jegliche Feststellungen des Landgerichts. Umstände, die einen derartigen Vorwurf begründen könnten, sind weder vorgetragen worden, noch sonst ersichtlich.
2. Eine Haftung der beklagten Stadt scheitert vorliegend jedoch, wie vom Landgericht grundsätzlich zutreffend erkannt wurde, am Fehlen einer Amtspflichtverletzung in Form einer Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht. Insofern kommt es nicht darauf an, ob die für die Unterhaltung der Straßen und Wege verantwortliche Beklagte aufgrund der Satzung über die Straßenreinigung und die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren vom 09.12.2002 in der ab 01.01.2018 gültigen Fassung die Reinigungspflicht für den Gehweg auf die Anwohner der K-Straße übertragen hat.
Grundsätzlich haben die für die Sicherheit der in ihren Verantwortungsbereich fallenden Verkehrsflächen zuständigen Gebietskörperschaften im Rahmen des ihnen Zumutbaren nach Kräften darauf hinzuwirken, dass die Verkehrsteilnehmer in diesen Bereichen nicht zu Schaden kommen. Allerdings muss der Sicherungspflichtige nicht für alle denkbaren, auch entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge treffen, da eine Sicherung, die jeden Unfall ausschließt, praktisch nicht erreichbar ist. Vielmehr bestimmt sich der Umfang der Verkehrssicherungspflicht danach, für welche Art von Verkehr eine Verkehrsfläche nach ihrem Befund unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und der allgemeinen Verkehrsauffassung gewidmet ist und was ein vernünftiger Benutzer an Sicherheit erwarten darf. Dabei haben Verkehrste...