Leitsatz (amtlich)

Zur Unterbrechung der Verjährung durch Zusendung eines Anhördungsbogens und zu den Anforderungen an die Urteilsgründe, wenn der Betroffene aufgrund eines von dem Verkehrsverstoß gefertigten Lichtbildes identifiziert werden soll.

 

Verfahrensgang

AG Essen (Entscheidung vom 23.04.2002)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird nebst den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Essen zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Der Betroffene ist durch Urteil des Amtsgerichts Essen vom 23. 04. 2002 wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaft zu einer Geldbuße von 100, - EUR verurteilt worden. Außerdem wurde gegen ihn ein einmonatiges Fahrverbot verhängt.

Nach den getroffenen Feststellungen überschritt der Betroffene am 16. 03. 2001 gegen 17. 41 Uhr mit dem von ihm geführten PKW in Essen innerhalb geschlossener Ortschaft in Höhe des Hauses Kruppstraße 16 die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 36 km/h.

Seine Überzeugung davon, dass der Betroffene die ihm zur Last gelegte Geschwindigkeitsüberschreitung begangen hat, hatte der Amtsrichter wie folgt begründet:

"Der Betroffene hat sich zu dem Vorwurf zunächst nicht eingelassen. Nach in Augenscheinnahme der in der Gerichtsakte befindlichen Lichtbilder hat er seiner Fahrereigenschaft jedoch nicht mehr bestritten und statt dessen die Ordnungsgemäßweit der Geschwindigkeitsmessung in Frage gestellt. Überdies wendet der Betroffene Verjährung ein.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist der Betroffene jedoch zur sicheren Überzeugung des Gerichts im Sinne der getroffenen Feststellungen überführt. Die in der Gerichtsakte befindlichen Lichtbilder sind in Augenschein genommen worden. Dabei ist der Betroffene als Fahrer des Fahrzeuges am Tattag identifiziert worden. Die Kinn-, Mund-, Nasen-, Haar- und Ohrenpartien des Betroffenen und der auf den Lichtbildern festgehaltenen Person stimmen überein. Der Betroffene hat im übrigen im weiteren Verfahrensverlauf seine Fahrereigenschaft auch nicht mehr bestritten, sondern vielmehr die Ordnungsgemäßweit der Messung in Frage gestellt. "

Zu dem erhobenen Verjährungseinwand hat das Amtsgericht ausgeführt, die Verjährung sei vor Erlass des am 06. 07. 2001 dem Betroffenen zugestellten Bußgeldbescheides der Stadt Essen vom 28. 06. 2001 durch die Übersendung des Anhörungsbogens vom 02. 05. 2001 an den Betroffenen gemäß § 33 Nr. 1 OWiG unterbrochen worden. Ausweislich des Verteidigerschreibens vom 11. 05. 2001 habe der Anhörungsbogen den Betroffenen auch erreicht.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Mit der erhobenen Sachrüge wird insbesondere geltend gemacht, die dem Betroffenen vorgeworfene Ordnungswidrigkeit sei bereits vor Erlass des Bußgeldbescheides verjährt gewesen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat in der Sache zunächst vorläufigen Erfolg.

1.

Eine Einstellung des Verfahrens gemäß § 206 a StPO i. V. m. § 46 OWiG wegen Vorliegens des Verfahrenshindernisses des Eintrittes der Verfolgungsverjährung kommt vorliegend allerdings nicht in Betracht. Denn entgegen der Ansicht der Verteidigung war die Verfolgung der dem Betroffenen vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit vom 16. 03. 2001 zum Zeitpunkt des Erlasses des Bußgeldbescheides der Stadt Essen am 28. 06. 2001 noch nicht verjährt. Vielmehr wurde die Verfolgungsverjährung, die gemäß § 26 Abs. 3 StVG vor Erlass des Bußgeldbescheides drei Monate betrug, rechtzeitig durch die Versendung des Anhörungsbogens vom 02. 05. 2001 an den Betroffenen gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG unterbrochen.

Wie sich aus der in den Akten befindlichen Falldatenübersicht vom 15. 06. 2001 (Bl. 13 d. A. ) ergibt, erfolgte die letzte Anhörung des Betroffenen mit Anhörungsbogen vom 02. 05. 2001. Dieser Anhörungsbogen ist dem Betroffenen vor dem 11. 05. 2001 zugegangen. Dies ergibt sich aus dem Schreiben des Verteidigers an das Straßenverkehrsamt der Stadt Essen vom selben Tage, in dem er unter Bezugnahme auf den Anhörungsbogen vom 02. 05. 2001 die Personalien des Betroffenen mitteilt und zugleich ausführt, dass dieser den Verkehrsverstoß nicht zugebe und derzeit auch keine Angaben zur Sache mache.

Gemäß § 33 Abs. 4 S. 1 OWiG wirkt eine Unterbrechungshandlung allerdings nur gegenüber demjenigen, auf den sich die Unterbrechungshandlung bezieht. Daraus folgt, dass nur eine gegen eine bestimmte Person gerichtete, nicht aber eine die Ermittlung des noch unbekannten Täters bezweckende Untersuchungshandlung geeignet ist, die Verjährung zu unterbrechen (vgl. BGHSt 42, 283 = NJW 1997, 598). Die Übersendung eines Anhörungsbogens stellt daher nur dann eine die Verjährung unterbrechende Bekanntgabe der Einleitung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 1 OWiG dar, wenn sich aus dem übersandten Anhörungsbogen für den Adressaten zweifelsfrei ergibt, dass er als Betroffener angehört werden soll. Maßnahmen, die...

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