Verfahrensgang

AG Münster (Aktenzeichen 43 F 73/20)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 26.08.2020 gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Münster vom 04.08.2020 (43 F 73/20) wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Die zulässige sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg.

Das Amtsgericht hat dem Antragsteller zu Recht die begehrte Verfahrenskostenhilfe gem. § 76 Abs. 1 FamFG, § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO versagt, weil sein Antrag im Hinblick auf die derzeitige Gesetzeslage keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

1. Dem Antragsteller steht als potentieller leiblicher Vater des Kindes I grundsätzlich ein Anfechtungsrecht nach § 1600 Nr. 2 BGB zu, wenn er an Eides statt versichert, der Kindesmutter während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben. Eine solche eidesstattliche Versicherung, die bereits eine Zulässigkeitsvoraussetzung darstellt, lässt sich den Akten bislang nicht entnehmen. Angesichts des sonstigen Vortrags geht der Senat jedoch davon aus, dass diese Erklärung zeitnah vorgelegt werden könnte, so dass ihr Fehlen den hinreichenden Erfolgsaussichten im Verfahrenskostenhilfeverfahren nicht entgegensteht.

Wie das Amtsgericht jedoch zu Recht ausgeführt hat, ist der Vaterschaftsanfechtungsantrag jedenfalls derzeit unbegründet, weil zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater, dem Beteiligten T, zur Zeit eine sozial-familiäre Bindung besteht, die gem. § 1600 Abs. 2 BGB eine Anfechtung durch den leiblichen Vater ausschließt. Eine sozial-familiäre Beziehung besteht gem. § 1600 Abs. 3 S. 1 BGB, wenn der rechtliche Vater für das Kind tatsächlich die Verantwortung trägt. Da der Beteiligte T mit der Kindesmutter verheiratet ist, besteht hierfür gem. § 1600 Abs. 3 S. 2 BGB eine Vermutung. Diese Vermutung hat der Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren nicht erschüttert. Es reicht hierfür insbesondere nicht, wenn er ausführt, dass er vor der Geburt des Kindes noch gelegentlichen Kontakt zur Kindesmutter und diese noch ihre Wohnung hatte. Ebenso wenig ist es rechtlich von Bedeutung, dass der Antragsteller mit Beginn der Schwangerschaft Verantwortung für sein Kind übernehmen wollte und dies auch hinreichend zum Ausdruck gebracht hat. Maßgeblich ist vielmehr, dass der rechtliche Vater unbestritten spätestens seit der Geburt mit dem Kind und der Kindesmutter in einem Haushalt lebt und ebenfalls unstreitig bereit ist, die Verantwortung für seine rechtliche Tochter zu tragen.

Der Senat verkennt nicht, dass der Antragsteller in dieser Konstellation gar keine Möglichkeit hat, die rechtliche Vaterstellung für seine mutmaßlich leibliche Tochter einzunehmen. Dies ist jedoch eine Folge der gesetzlichen Regelung. Der Gesetzgeber hat durch die Einschränkung des Anfechtungsrechts des leiblichen Vaters in § 1600 Abs. 2 BGB bewusst eine generalisierend vorweggenommene Abwägung zu Gunsten eines rechtlich-sozialen Familienverbandes vor den Interessen des leiblichen Vaters vorgenommen (FA-FamR/Schwarzer, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 10. Auflage 2015, 3. Kapitel, Rz. 184). Er hat hierbei klargestellt, dass es auf die auch schützenswerten Interessen des leiblichen Vaters im Einzelfall nicht mehr ankommt, sofern eine sozial-familiäre Beziehung zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater vorliegt (OLG Bremen, FamRZ 2010,1821). Faktisch eröffnet diese gesetzgeberische Wertung der Mutter und dem rechtlichen Vater, den biologischen Vater von der Anfechtung auszuschließen (KG, FamRZ 2015, 1119). Die damit verbundene Begrenzung des Anfechtungsrechts des leiblichen Vaters wurde vom BGH (FamRZ 2018, 41) und insbesondere vom Bundesverfassungsgericht wiederholt ausdrücklich für verfassungsgemäß und insbesondere mit Art. 6 Abs. 2 GG vereinbar erklärt (BVerfG, FamRZ 2014, 191; FamRZ 2015, 817; Nichtannahmebeschluss vom 29.01.2020 - 1 BvR 2715-18- juris). Zwar werde der leibliche Vater im Hinblick auf Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG in seinem Interesse geschützt, die Rechtstellung als Vater des Kindes einzunehmen, dieser Schutz vermittle aber noch kein Recht, in jedem Fall vorrangig vor dem rechtlichen Vater die Vaterstellung eingeräumt zu erhalten. Es bestehe kein Vorrang der biologischen Vaterschaft vor der rechtlichen Vaterschaft. Der Gesetzgeber habe sich deshalb innerhalb seines gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums bewegt, als er den Interessen des Kindes und seiner rechtlichen Eltern am Erhalt eines durch Art. 6 Abs. 1 GG bestehenden sozialen Familienverbandes gegenüber den Interessen des biologischen Vaters den Vorrang eingeräumt und den biologischen Vater insoweit von der Möglichkeit, die rechtliche Vaterschaft anzufechten, ausgeschlossen hat. Auch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte folgt nichts anderes. Der Gerichtshof hat wiederholt (EGMR, Kautzor v. Deutschland, Urteil vom 22. März 2012, Nr. 23338/09; Koppikar v. Deutschland, Urteil vom 11.12.2012, Nr. 11858) klargestellt, dass die Auslegung des Art. 8 EMRK nur ergibt, dass der vermeintliche biologische Vater von der Möglichkeit, seine ...

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