Leitsatz (amtlich)
1. Auf einem gemeinsamen Geh- und Radweg gilt für einen Radfahrer das Rechtsfahrgebot; Fußgänger dürfen den Weg auf der gesamten Breite benutzen. Radfahrer und Fußgänger müssen gegenseitig aufeinander Rücksicht nehmen.
2. Ein Pedelecfahrer darf bei Annäherung an einen links auf einem 2,50 m breiten kombinierten Geh- und Radweg gehenden Fußgänger nicht sorglos seine Fahrt fortsetzen, wenn er nicht sicher sein kann, dass der Fußgänger seine Annäherung und damit die Gefährlichkeit eines Abweichens von seiner Gehlinie erfasst hat.
Normenkette
StVO § 2 Abs. 2, § 16 Abs. 1 Nr. 2, § 41 Zeichen 240
Verfahrensgang
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmig gefassten Beschluss zurückzuweisen, da sie nach einstimmiger Ansicht im Senat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und eine Entscheidung des Berufungsgerichts auch nicht der Fortbildung des Rechts oder der Einheitlichkeit der Rechtsprechung dient.
Dem Kläger wird Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen zu diesem Hinweis sowie dem Antrag der Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe gegeben.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten den Ersatz materieller und immaterieller Schäden aus einem Unfall am 0.00.2017 gegen 15:05 Uhr, an dem er als Fahrer eines Pedelec-Fahrrads und die Beklagte als Fußgängerin beteiligt war.
Der Kläger befuhr mit seinem Pedelec-Fahrrad aus N kommend den parallel zur Ser Straße verlaufenden gemeinsamen Fuß- und Radweg, der eine Breite von ca. 2,50 m aufweist, in Richtung S. Die Beklagte lief als Fußgängerin ebenfalls in Richtung S. Sie befand sich zunächst auf dem linken Teil des Fuß- und Radwegs. Sodann wechselte sie, ohne sich zuvor umzusehen, auf die rechte Seite des Weges. Dabei kam es zu einem Zusammenstoß mit dem Kläger, der beabsichtigte, die Beklagte auf der rechten Seite zu überholen. Dabei kam der Kläger zu Fall und verletzte sich. Der Kläger kann sich an den Unfall und seinen Hergang nicht erinnern. Die Unfallursächlichkeit der Verletzungen sowie materiellen Schäden sind zwischen den Parteien erstinstanzlich streitig gewesen.
Der Kläger ist der Auffassung gewesen, die Beklagte sei ihm aufgrund des plötzlichen und für ihn unerwarteten Seitenwechsels zum Schadensersatz verpflichtet.
Er hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.993,43 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 06.07.2017 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 650,34 EUR zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, der Kläger habe ihren Richtungswechsel einkalkulieren müssen, insbesondere, weil er vor dem Unfallgeschehen nicht durch Klingeln oder Rufen auf sich aufmerksam gemacht habe. Der Kläger sei nur zu Fall gekommen, weil er bei der Vorbeifahrt an ihrer Umhängetasche hängengeblieben sei.
Mit dem angefochtenen Urteil, auf dessen Tatbestand wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands bis zum Abschluss der ersten Instanz gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Landgericht Münster die Beklagte unter Klageabweisung im Übrigen verurteilt, an den Kläger 3.453,21 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.07.2017 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 413,65 EUR zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte hafte gegenüber dem Kläger gemäß §§ 823 Abs. 1, 253 BGB, weil sie mangels vorherigen Umsehens gegen ihre Pflicht aus § 1 Abs. 2 StVO, den Seitenwechsel ohne Gefährdung vorzunehmen, verstoßen habe. Den Kläger treffe jedoch ein hälftiges Mitverschulden gemäß § 254 BGB, weil er von hinten kommend in einer Geschwindigkeit auf die Beklagte zugefahren sei, die ihn sein Fahrrad nicht mehr beherrschen ließ. Jedenfalls habe er nicht innerhalb der übersehbaren Strecke anhalten können. Er sei auch gehalten gewesen, durch Klingelzeichen oder Rufen auf sich aufmerksam zu machen und seine Geschwindigkeit zu reduzieren und sich bremsbereit zu verhalten, bis er habe sicher sein können, dass die Beklagte ihn von hinten kommend überhaupt bemerkt habe.
Die Unfallbedingtheit der Verletzungen sowie die behauptete Behandlung sei aufgrund der seitens des Klägers vorgelegten Atteste als nachgewiesen anzusehen. Das einfache Bestreiten der Beklagten reiche insoweit nicht aus.
Der Höhe nach sei ein Schmerzensgeld von 6.000 EUR angemessen, der Haushaltsführungsschaden mit 560 EUR und die weiteren materiellen Schäden - Fahrradhelm, Reparaturkosten des Fahrrads, Hose und Jacke sowie die Kostenpauschale - mit insgesamt 346,42 EUR zu bemessen. Von dem Gesamtbetrag in Höhe von 6.906,42 EUR seien 50 %, mithin 3.453,21 EUR zu ersetzen.
Mit der Berufung begehrt der Kläger die Abänderung des angefochtenen Urteils, soweit die Klage aufgrund der Annahme einer Haftungsquote von 50 % abgewiese...