Entscheidungsstichwort (Thema)

Zumutbarkeit des Aufbringen von Prozesskosten im Insolvenzverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Insolvenzgläubigern, die mit weniger als 5 % an der Gesamtsumme der festgestellten Insolvenzforderungen beteiligt sind, ist die Aufbringung von Kosten für einen Rechtsstreit des Insolvenzverwalters generell nicht zuzumuten.

2. Im Übrigen kommt es für die Zumutbarkeit nicht auf die zu erwartende Insolvenzquote an, sondern es ist der für eine Prozessführung zu leistende Vorschuss dem Betrag gegenüberzustellen, den der Gläubiger bei erfolgreicher Prozessführung voraussichtlich (zusätzlich) erwarten kann. Dem Insolvenzgläubiger kann ein Vorschuss in der Höhe zugemutet werden, in der er Vorschüsse aufzubringen hätte, wenn er den auf ihn voraussichtlich entfallenden Verbesserungsbetrag selbst in einem Rechtsstreit verfolgen würde.

3. Bei der Ermittlung des zusätzlich zu erwartenden Betrages sind auch Nebenforderungen zu berücksichtigen.

4. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass eine zugunsten der Masse titulierte Forderung vollständig realisiert werden kann und dass der dadurch zur Verteilung gelangende Mehrbetrag auf die festgestellten Forderungen entfällt.

5. Im Einzelfall können vom Insolvenzverwalter darzulegende besondere Umstände dazu führen, dass

a) die Klageforderung nur mit einem Teilbetrag zu bewerten ist,

b) auch bestrittene oder noch nicht geprüfte Forderungen bei der voraussichtlichen Verteilung ganz oder teilweise berücksichtigt werden,

c) Forderungen, die nur für den Ausfall festgestellt sind, ganz oder teilweise unberücksichtigt bleiben.

 

Normenkette

ZPO § 116

 

Verfahrensgang

LG Bochum (Beschluss vom 18.02.2005; Aktenzeichen 14 O 2/05)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der 14. Zivilkammer des LG Bochum - Kammer für Handelssachen - vom 18.2.2005 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird für den Antragsteller zugelassen.

 

Gründe

A. Der Antragsteller begehrt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Firma U. AG Prozesskostenhilfe. Er macht geltend, die Kosten für die beabsichtigte Klage auf Zahlung von 49.693,68 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.10.2004 nicht aufbringen zu können. Nach seinen Darlegungen reicht die vorhandene Masse nicht einmal zur Deckung der Verfahrens- und Abwicklungskosten aus. Auf die Insolvenzgläubiger entfällt somit nach jetzigem Stand keine Quote. Es haben insgesamt 25 Gläubiger Ansprüche zur Tabelle i.H.v. zusammen 887.666,66 EUR angemeldet, von denen der Antragsteller bisher Forderungen von 21 Gläubigern i.H.v. insgesamt 592.482,30 EUR anerkannt und zur Tabelle festgestellt hat. Von den letztgenannten Forderungen sind die folgenden fünf die höchsten:

Nr. 16: E.-Bank 208.249,11 EUR

Nr. 19: C. 139.647,57 EUR

Nr. 8: Arbeitnehmer T. 70.837,89 EUR

Nr. 2: Bundesagentur für Arbeit, Insolvenzgeld 47.136,84 EUR

Nr. 15: X. 30.047,22 EUR

Sämtliche weiteren festgestellten Forderungen machen jeweils unter 5 % der insgesamt festgestellten Forderungen aus.

Bei erfolgreicher Eintreibung der Hauptforderung der beabsichtigten Klage stünden nach der Darlegung des Antragstellers nach Abzug der Masseverbindlichkeiten (unter Berücksichtigung einer dann erhöhten Insolvenzverwaltervergütung) 30.820 EUR zur Verteilung an die Insolvenzgläubiger zur Verfügung.

Das LG hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Klage zurückgewiesen. Es sei den wirtschaftlich Beteiligten, nämlich den Gläubigern zu Nrn. 16, 19 und 15, zuzumuten, die Kosten des Rechtsstreits aufzubringen.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, der weiterhin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehrt. Auf seinen Schriftsatz vom 28.2.2005 (Bl. 102 ff. d.A.) nebst Anlage wird Bezug genommen.

B. Die zulässige sofortige Beschwerde ist in der Sache unbegründet.

Zu Recht hat es das LG für die Gläubiger Nr. 16, 19 und 15 als zumutbar angesehen, die Prozesskosten aufzubringen (§ 116 S. 1 Nr. 1 ZPO).

I. Wirtschaftlich Beteiligte i.S.d. § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO sind solche Insolvenzgläubiger, deren Befriedigungsmöglichkeiten sich verbessern, wenn der Insolvenzverwalter mit dem Rechtsstreit obsiegt (Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 116 Rz. 6, m.w.N.). Dabei ist anerkannt, dass Vorschüsse nur demjenigen dieser Beteiligten zuzumuten sind, die die erforderlichen Mittel unschwer aufbringen können und deren zu erwartender Nutzen bei vernünftiger, auch das Eigeninteresse sowie das Prozessrisiko angemessen berücksichtigender Betrachtungsweise bei einem Erfolg der Rechtsverfolgung deutlich größer sein wird (BGH v. 27.9.1990 - IX ZR 250/89, MDR 1991, 334 = NJW 1991, 40 [41]). Allerdings hat die Rechtsprechung noch keine Regeln dafür entwickelt, wann ein solcher deutlich "größerer" Nutzen gegeben ist. Nach den Beobachtungen des Senats nehmen u.a. deshalb die Beschwerdeverfahren, in denen um die Frage der Zumutbarkeit i.S.v. § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO gestritten wird, in jüngster Zeit deutlich zu. Es ist daher die Aufgab...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge