Leitsatz (amtlich)
Zu den Anforderungen an einen schlüssigen Klagevortrag für die Verletzung einer winterlichen Räum- und Streupflicht, wenn ein Fußgänger nach Betreten der Fahrbahn beim Einsteigen in einen Pkw auf sog. Schneematsch ausrutscht.
Normenkette
BGB §§ 249, 253, 839; GG Art. 34; StrReinG NW § 1; StrWG NRW §§ 9, 9a, 47
Verfahrensgang
LG Hagen (Aktenzeichen 8 O 194/19) |
Tenor
Der Senat weist nach Beratung darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
Der Klägerin wird Gelegenheit gegeben, binnen 3 Wochen nach Zugang dieses Beschlusses zu dem Hinweis Stellung zu nehmen oder die Berufung aus Kostengründen zurückzunehmen.
Gründe
I. Die Klägerin begehrt von der beklagten Stadt Schadenersatz und Schmerzensgeld wegen eines Sturzes, der sich nach ihrem Vortrag am 00.01.2019 gegen 16.45 Uhr in Höhe des Hauses C Platz 0 in F ereignet haben soll. Die Straße C Platz ist aufgrund der ansässigen Sekundarschule im Winterdienst der Beklagten der Prioritätenstufe "A" zugeordnet. Mitarbeiter der Beklagten hatten am Morgen des 00.01.2019 zwischen 5:50 Uhr und 5:55 Uhr Winterdienstarbeiten im Bereich der der behaupteten Unfallstelle ausgeführt.
Die Klägerin hat vor dem Landgericht behauptet, sie sei auf der Straße gestürzt. Sie habe beabsichtigt in einen ordnungsgemäß geparkten Pkw auf der Beifahrerseite einzusteigen. Dazu sei sie vom Bordstein des Fußgängerwegs auf die Fahrbahn getreten, dort sei sie gestürzt und habe sich schwere Verletzungen am rechten Bein zugezogen. Erst nach dem Sturz habe sie Schneematsch auf dem Boden bemerkt.
Die Beklagte ist dem Klagebegehren entgegen getreten und hat geltend gemacht, ihrer Streupflicht ausreichend nachgekommen zu sein. Sie hat unter Vorlage eines Routenprotokolls behauptet, die Straße C Platz auch am Nachmittag des 00.01.2019 zwischen 14:15 und 14:20 Uhr winterdienstlich behandelt zu haben. Ferner hat sie die Ansicht vertreten, dass im Bereich der Fahrbahn ohnehin keine Räum- und Streupflicht zugunsten des Fußgängerverkehrs bestünden.
Das Landgericht hat die Klägerin persönlich angehört und hiernach die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine Amtspflichtverletzung der beklagten Stadt könne nicht festgestellt werden. Im Bereich der Sturzstelle habe keine Streupflicht bestanden. Streupflichten betreffend die Fahrbahn dienten nicht dem Schutz der Fußgänger. Fahrbahnen müssten für Fußgänger nur im Bereich unentbehrlicher und belebter Fußgängerüberwege gestreut werden, Parkbuchten müssten grundsätzlich nicht abgestreut werden. Daher bestehe nicht an jeder Stelle, an der ein Fußgänger die Fahrbahn betreten könne, eine Streuplicht. Dies gelte insbesondere für den Randbereich der Straße. Das Räumen und Streuen zwischen geparkten Autos und dem Bordstein sei dem Sicherungspflichtigen nicht zumutbar.
Es könne auch nicht festgestellt werden, dass sich am Fahrbahnrand Schneematsch angehäuft hätte, den die Beklagte hätte beseitigen müssen. Nach dem Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung sei ohnehin zweifelhaft, ob überhaupt eine allgemeine Glättebildung vorgelegen habe, die eine Streupflicht habe begründet habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes, der in erster Instanz gestellten Klageanträge und der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird auf das angefochtene Urteil verwiesen (§ 540 Abs. 1 ZPO).Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.
Sie macht geltend, die der Beklagten obliegende Räum- und Streupflicht erfasse auch das Schneeräumen auf Fahrbahnen sowie das Bestreuen gefährlicher Stellen auf der Fahrbahn. Dass es zum Unfallzeitpunkt stark geschneit habe, sei zwischen den Parteien unstreitig. Für den Umstand, dass die Klägerin auf Schneematsch ausgerutscht sei, den die Beklagte dort angehäuft habe, sei Beweis angeboten worden, diesen Beweis hätte das Landgericht erheben müssen. Die Räumung der Fahrbahn dürfe nicht dazu führen, dass für Fußgänger zusätzliche Gefahren dadurch geschaffen wurden, dass Schneereste am Fahrbahnrand oder zwischen geparkten Fahrzeugen aufgehäuft würden. Im vorliegenden Fall hätten die Schneereste am rechten Fahrbahnrand auf einer schraffierten Fläche (Halteverbot) gesammelt werden können.
Sie beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, welches einen Betrag von 50.000,00 EUR nicht unterschreiten sollte, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.05.2019 zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie 845,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.05.2019 zu zahlen;
3. die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.350,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.05.2019 zu zahlen;
4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen, welch...