Leitsatz (amtlich)
Zum Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift des Art 4 Nr. 13 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85.
Verfahrensgang
AG Paderborn (Entscheidung vom 07.02.2007) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde wird mit folgender Maßgabe verworfen:
Der Betroffene wird wegen fahrlässigen Nichtvorlegens eines Nachweises lenkfreier Tage in Tateinheit mit fahrlässigem Geschwindigkeitsverstoß und mit fahrlässigem Verstoß gegen das Anlegen eines Sicherheitsgurtes zu einer Geldbuße von 190 EUR verurteilt.
Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Betroffene.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen "fahrlässigen Verstoßes gegen §§ 3 III in Tateinheit mit fahrlässigem Verstoß gegen § 21 a I StVO, jeweils in Verbindung mit § 49 StVO und § 24 StVG eine Geldbuße von 55,00 Euro festgesetzt und wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen §§ 20 I, 21 II Ziff. 15 FPersVO in Verbindung mit § 8 I Nr. 2 FPersG eine Geldbuße von 200,00 Euro festgesetzt."
Zu den Vorwürfen hat der Bußgeldrichter folgende Feststellungen getroffen:
"Der Betroffene arbeitet regelmäßig nur an Sonntagen als Aushilfsfahrer für eine Molkerei. Am Morgen des 16.10.2006 (Sonntag) fuhr er mit seinem LKW der Marke Daimler Chrysler von mehr als 3,5t, amtl. Kennzeichen PB-xxxxx mit Anhänger, Kennzeichen PB-xxxxxx, zunächst Bauernhöfe in Ostwestfalen an, wo er die Milchprodukte in sein Fahrzeug auflud. Nach vollständiger Beladung seines LKW beabsichtigte der Betroffene, um spätestens 9.30 Uhr mit dem LKW zurück zur Molkerei nach Köln zu fahren. Zu Gunsten des Betroffenen geht das Gericht davon aus, dass er ab spätestens wenige Minuten nach 9.30 Uhr Autobahnen in der Bundesrepublik befuhr. Während dieser Autobahnfahrt überschritt der Betroffene zwischen 10.00 Uhr und 10.45 Uhr in mehr als zwei Fällen die für ihn geltende Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um jeweils bis zu 15 km/h. Darüber hinaus hatte der Betroffene während der Fahrt auf der Autobahn versehentlich unterlassen, den Sicherheitsgurt anzulegen. Gegen 10.50 Uhr wurde der Betroffene von der Autobahnpolizei angehalten. Der Betroffene führte dabei weder eine Bescheinigung seines Unternehmers über lenk- bzw. arbeitsfreie Tage oder einen anderen Nachweis über die Zeit vom 10.10. bis 15.10.2006 bei sich. Bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte der Betroffene das mehrfache Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn erkennen können und müssen. Darüber hinaus hätte er von seiner Verpflichtung Kenntnis haben müssen, Nachweise über lenk- oder arbeitsfreie Tage bei sich führen zu müssen."
Gegen das in seiner Anwesenheit verkündete Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Rechtsbeschwerde vom 12.02.2007, die am selben Tag beim Amtsgericht eingegangen ist. Nach Zustellung der schriftlichen Urteilsgründe am 15.02.2007 hat der Verteidiger mit dem Gericht am selben Tage zugegangenen Schriftsatz vom 13.03.2007 beantragt, das Urteil aufzuheben. Gerügt wird die Verletzung formellen Rechts und mit näherer Begründung des materiellen Rechts.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt,
die Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde führt zu einer Berichtigung des Schuldspruchs und einer Ermäßigung der Geldbuße, so dass das Rechtsmittel für den Betroffenen nur im geringen Umfang Erfolg hat.
1.
Entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft bedarf es im vorliegenden Fall keiner Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 80 OWiG, denn die Beschwerdegrenze des § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG ist überschritten, auch wenn die vom Amtsgericht ausgesprochenen Einzelgeldbußen jeweils den Wert von 250 EUR nicht erreichen.
Wenn der Betroffene im Rahmen einer Tat im prozessualen Sinne mehrere Handlungen begeht, die mit Einzelgeldbußen geahndet werden, ist bei unbeschränkt eingelegter Rechtsbeschwerde die Summe der ausgeworfenen Geldbußen maßgebend, so dass die Rechtsbeschwerde auch eröffnet ist, soweit im Einzelnen Geldbußen bis zu 250 EUR verhängt wurden (BayObLG NStZ-RR 1997, 248; OLG Koblenz VRS 75, 71, 72, jeweils zu der seinerzeit maßgebenden Grenze von 200 DM; Senge, in Karlsruher Kommentar, OWiG, 3. Auflage 2006, § 79 Rdnr. 14; Göhler, OWiG, 14. Aufl. 2006, § 79 Rdnr. 23).
Auch wenn sich die ausführliche Rechtsmittelbegründung des Betroffenen beinahe ausschließlich mit dem Verstoß gegen das Fahrpersonalrecht befasst und die weiteren Verstöße nicht anspricht, kann hierin keine zulässige Beschränkung des Rechtsmittels auf die Überprüfung nur dieser Ordnungswidrigkeit gesehen werden. Denn eine Beschränkung ist wie im Strafverfahren nur auf abtrennbare Teile möglich, d.h. soweit eine selbständige Prüfung und rechtliche Beurteilung durchführbar ist. Demgegenüber ist sie gegenstandslos, wenn dies nicht der Fall ist, so z.B. wenn die Rechtsbeschwerde - wie hier - in einem Fall nicht auszuschließender Tateinheit auf eine von mehreren tateinheitlich begangene Ordnung...