Entscheidungsstichwort (Thema)

("Incoming-")Reiseversicherung (Krankheitskosten) für einen Aufenthalt in Deutschland

 

Leitsatz (amtlich)

Zum (hier bejahten) Versicherungsschutz für eine ("Incoming-")Reiseversicherung (Krankheitskosten) - abgeschlossen nach Einreise in Deutschland - mit vereinbartem Ende des Versicherungsschutzes zu einem bestimmten Zeitpunkt - ohne einschlägige Gesundheitsfragen - bei - möglicherweise - vor Vertragsschluss eingetretener, dem Versicherten aber unbekannter Grunderkrankung.

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 18 O 137/17)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.

Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.

 

Gründe

I. Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.

Das Landgericht hat der Klage zu Recht wegen des Hilfsantrages stattgegeben. Die Berufungsangriffe der Beklagten aus der Berufungsbegründung vom 06.06.2019 (GA 162 ff.) greifen nicht durch.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Freistellung von der Forderung des Klinikums C aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Versicherungsvertrag in Verbindung mit § 1 S. 1 VVG zu.

1. Zwischen den Parteien bestand ein wirksamer Versicherungsvertrag, und zwar sowohl für die Zeit ab dem 29.12.2016 als auch für später vereinbarten Verlängerungszeiträume.

a) Der Vertrag ist ebenso wie die späteren Vereinbarungen über eine Verlängerung desselben wirksam zustande gekommen.

aa) Unstreitig haben sich die Klägerin, vertreten durch den Zeugen D, und die Beklagte gemäß §§ 145 ff. BGB auf den Abschluss und die spätere mehrmalige Verlängerung eines Vertrages über eine Incoming-Versicherung geeinigt.

bb) Der Wirksamkeit des ursprünglichen Vertragsschlusses und der jeweils vereinbarten Verlängerungen steht nicht entgegen, dass sich die Klägerin bereits ab dem 26.11.2016 in Deutschland befand.

Den hier maßgeblichen "Versicherungsbedingungen für Reiseversicherungen der Europäische Reiseversicherung AG" (im Folgenden: VB-ERV 2014) lässt sich, wie das Landgericht zu Recht ausführt, an keiner Stelle entnehmen, dass ein Versicherungsvertrag nicht abgeschlossen oder durch einvernehmliche Regelung zwischen den Parteien verlängert werden kann, wenn die versicherte Person sich schon im Gastland aufhält. Im Gegenteil sieht beispielsweise Nr. 2.2 AVB VB-ERV 2014 vor, dass bei Risikozeiträumen von bis zu vier Monaten jeder Versicherungsnehmer sein kann, der seine vertragliche Erklärung in Deutschland vornimmt. Auch Ziff. 4.4 VB-ERV 2014 sieht eine Verlängerung unter bestimmten Voraussetzungen ausdrücklich für den Fall vor, dass die Reise nicht wie geplant beendet werden kann, sich die versicherte Person also schon in Deutschland aufhält.

Dem Landgericht ist auch darin beizupflichten, dass etwaige Hinweise auf den Internetseiten der Beklagten hier ohne Bedeutung sind. Die Beklagte hat nicht dargelegt, wie diese Vertragsinhalt geworden sein sollen.

b) Die Willenserklärung der Beklagten - und damit der Vertrag und seine jeweiligen Verlängerungen insgesamt - sind auch nicht aufgrund der von der Beklagten gemäß § 123 Abs. 1 BGB erklärten Anfechtung rückwirkend als nichtig anzusehen (§ 142 Abs. 1 BGB).

Es fehlt schon an einer Täuschung seitens der Klägerin.

aa) Eine solche Täuschung liegt entgegen der Ansicht der Beklagten nicht darin, dass die Klägerin ursprünglich womöglich unrichtige Angaben zu dem geplanten Reiseende machte.

Erstens hat die insoweit beweisbelastete Beklagte schon keinen Beweis dafür angeboten, dass die Klägerin von Anfang an über den 12.01.2017 hinaus in Deutschland zu bleiben beabsichtigte. Zweitens ergibt sich aus Nr. 4.2 der Allgemeinen Bedingungen, dass der Versicherungsschutz spätestens mit dem Verlassen des Gastlandes endet, bei entsprechender Vereinbarung aber auch früher. Selbst wenn die Klägerin also von Anfang an beabsichtigt hätte, über den 12.01.2017 hinaus in Deutschland zu bleiben, hätte das entsprechende Datum als Ende des Versicherungsschutzes vereinbart werden können. In der Erklärung, Versicherungsschutz bis zum 12.01.2017 zu wünschen, liegt deshalb nicht gleichzeitig die Erklärung, nur bis zu diesem Zeitpunkt im Gastland zu bleiben.

Im Übrigen ist nicht vorgetragen und gibt es ohnehin keine Anhaltspunkte dafür, dass eine entsprechende Täuschung der Klägerin, wenn man sie unterstellt, kausal für die Willenserklärung der Beklagten gewesen wäre, die Beklagte den Vertrag also nicht geschlossen hätte, wenn die Klägerin sogleich angegeben hätte, bis zum 16.03.2017 in Deutschland bleiben zu wollen. Aus den dargelegten Gründen kommt es darauf aber ohnehin nicht an.

bb) Ebenso wenig liegt eine arglistige Täuschung darin, dass die Klägerin bei der Ver...

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