Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindesunterhalt: Verbindung des Unterhaltsverfahrens mit dem Abstammungsverfahren; gesteigerte Erwerbsobliegenheit des Unterhaltsschuldners; Haftungsbeschränkung zugunsten des Kindes
Leitsatz (amtlich)
1. Anders als nach der früheren Regelung gem. §§ 640c Abs. 1, 653 ZPO a.F. kann das Unterhaltsverfahren gem. § 237 FamFG als selbständiges Verfahren betrieben werden, wobei allerdings eine Verbindung mit dem Abstammungsverfahren möglich ist. Auch bei einer derartigen Verbindung bleibt das Verfahren gem. § 237 FamFG eine Unterhaltssache, auf die die hierfür geltenden Verfahrensvorschriften anzuwenden sind und nicht etwa diejenigen des Abstammungsverfahrens.
2. Dabei gilt die Einschränkung des § 237Abs. 3 FamFG nur so lange, wie die Voraussetzungen des § 1592 Nr. 1 und 2 sowie § 1593 BGB nicht vorliegen, also die Vaterschaft nicht feststeht.
3. Zur gesteigerten Erwerbsobliegenheit und zur Höhe des fiktiv anzusetzenden Einkommens.
4. Erst ab Volljährigkeit besteht für das Kind die Möglichkeit, die Haftung für die infolge seiner gesetzlichen Vertretung während seiner Minderjährigkeit zustande gekommenen Verbindlichkeiten gem. § 1629a BGB gegenständlich auf sein zu diesem Zeitpunkt vorhandenes Vermögen zu beschränken; die Haftungsbeschränkung tritt dabei kraft Gesetzes ein und ist ab Eintritt der Volljährigkeit im Wege der Einrede geltend zu machen. Ein Vorbehalt der Haftungsbeschränkung ist in der Entscheidung, durch die eine Verbindlichkeit des Minderjährigen festgestellt wird, nicht aufzunehmen.
Normenkette
FamFG § 237 Abs. 3; BGB § 1592 Nrn. 1-2, §§ 1593, 1603 Abs. 2 S. 1, § 1629a; ZPO § 640c Abs. 1, § 653
Verfahrensgang
AG Essen (Beschluss vom 10.11.2010) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der am 10.11.2010 verkündete Beschluss des AG - Familiengericht - Essen teilweise abgeändert.
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin ab Januar 2011 Kindesunterhalt in Höhe des Mindestunterhaltes gem. den jeweiligen Altersstufen gem. § 1612a BGB zu zahlen, vermindert um das halbe Kindergeld für ein erstes gemeinsames Kind.
Die weitergehenden Anträge bleiben abgewiesen; die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Die sofortige Wirksamkeit wird angeordnet.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten um die Zahlung von Kindesunterhalt für das am 16.10.2008 geborene Kind S2 ab dem Zeitpunkt ihrer Geburt.
Die Antragstellerin wurde am 16.10.2008 als Kind der nicht verheirateten Frau S geboren. Auf Antrag der Mutter wurde beim Jugendamt der Stadt F eine Beistandschaft für das Kind eingerichtet. Für das Kind werden UVG-Leistungen und SGB II-Leistungen erbracht, übergegangene Ansprüche wurden rückabgetreten.
Der am 28.6.1963 geborene Antragsgegner ist geschieden, aus dieser Ehe entstammt ein volljähriges Kind. Er ist seit dem 9.8.2010 wieder verheiratet mit Frau N, mit der er auch bereits vor Eingehung der Ehe zusammenlebte. Er ist gelernter Metallgießer und Former, hat in diesem Beruf jedoch nach Abschluss der Ausbildung nie gearbeitet. Aus einer späteren selbständigen Tätigkeit als Versicherungsmakler und anschließend im Finanzdienstleisterbereich bestehen noch Forderungsrückstände beim Finanzamt N2 i.H.v. 53.638,36 EUR. Zuletzt war er bis Dezember 2009 vollschichtig als Werber im Telefonverkauf erwerbstätig. Seit Anfang 2010 bezieht er Arbeitslosengeld I i.H.v. 17,87 EUR kalendertäglich, daneben werden SGB II-Leistungen für ihn und seine Ehefrau i.H.v. monatlich 476,58 EUR gewährt.
Mit Antragschrift vom 14.3.2010 beantragte das antragstellende Kind, vertreten durch seinen Beistand, die Vaterschaft des Antragsgegners festzustellen sowie diesen zur Zahlung von Unterhalt in Höhe des jeweiligen Mindestunterhaltes ab dem Tage seiner Geburt, also dem 16.10.2008, zu verpflichten. Nach Anhängigkeit des Verfahrens erkannte der Antragsgegner seine Vaterschaft zur Antragstellerin urkundlich an. In der anschließenden mündlichen Verhandlung vom 22.9.2010 erklärte die Kindesmutter, dass sie dem Vaterschaftsanerkenntnis des Antragsgegners ausdrücklich zustimme. Daraufhin erklärten die beiderseitigen Verfahrensbevollmächtigten das Verfahren hinsichtlich des Feststellungsantrages übereinstimmend für erledigt. Das AG trennte daraufhin in der mündlichen Verhandlung das Unterhaltsverfahren ab, das als selbständige Familiensache fortgeführt werden solle, und hob die Kosten des Feststellungsverfahrens gegeneinander auf. Im weiteren Verlauf dieser mündlichen Verhandlung verhandelte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin- nunmehr ausdrücklich im isolierten Unterhaltsverfahren - mit dem Antrag, den Antragsgegner zu verpflichten, der Antragstellerin zu Händen des gesetzlichen Vertreters vom Zeitpunkt der Geburt an Unterhalt in Höhe des jeweiligen Mindestunterhaltes gemäß den jeweiligen Altersstufen gem. § 1612a BGB, vermindert um das halbe Kindergeld, zu zahlen.
Der Antragsgegner trat dem Unterhaltsbegehren mit dem Vorbringen, nicht leist...