Leitsatz (amtlich)
1. Eine Zuständigkeitsbestimmung durch das nächst höhere gemeinsame Gericht findet in entsprechender Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 4 FamFG auch dann statt, wenn statt rechtskräftiger Beschlüsse ernsthafte und als endgültig gemeinte Unzuständigkeitserklärungen verschiedener Familiengerichte vorliegen, die den Verfahrensbeteiligten bekannt gemacht worden sind. Als ausreichende Bekanntmachung kann genügen, dass das vorlegende Familiengericht den Beteiligten seine umfassend begründete Vorlageverfügung bekannt macht.
2. Ein Kind, das vorübergehend in einer Bereitschaftspflegefamilie lebt, hat dort regelmäßig keinen gewöhnlichen Aufenthaltsort i.S.v. § 152 Abs. 2 FamFG.
3. Tritt das Bedürfnis nach Fürsorge für ein Kind i.S.v. § 152 Abs. 3 FamFG wegen der unterschiedlichen Aufenthaltsorte des Kindes, seiner Eltern und des Ergänzungspflegers an verschiedenen (Gerichts-) Orten hervor, ist die Zuständigkeit verschiedener Familiengerichte im Rahmen einer Gesamtschau nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zu bestimmen (Bestätigung und Fortführung von OLG Hamm, Beschluss vom 19.03.2013, AZ: II-2 SAF 4/13, FamRZ 2013, 2004f, bei juris Langtext Rn 14).
Normenkette
FamFG § 5 Abs. 1 Nr. 4, § 152 Abs. 2-3
Verfahrensgang
AG C. (Aktenzeichen 21 F 257/15) |
Tenor
Als örtlich zuständiges Gericht wird das AG - Familiengericht - C bestimmt.
Gründe
I. Die Beteiligten zu 2) und zu 3) sind die Eltern des am ... 2013 geborenen Kindes. Sie waren und sind nicht miteinander verheiratet. Sie übten die elterliche Sorge aufgrund einer Sorgeerklärung zunächst gemeinsam aus.
Bis zum ... 2014 hielten sich die Kindesmutter und das Kind in dem Kinder- und Jugendhilfehaus G in C auf. Sodann begab sich die Kindesmutter wegen einer Verschlechterung ihres psychischen Gesundheitszustandes in eine stationäre psychiatrische Behandlung. Das Jugendamt der Stadt C nahm das Kind am ... 2014 wegen der ungeklärten Betreuungssituation in Obhut. In dem im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung anberaumten Anhörungstermin vom 24.03.2014 vor dem AG - Familiengericht - C stimmten die Kindeseltern der Inobhutnahme und der vorübergehenden Fremdunterbringung des Kindes ausdrücklich zu (Aktenzeichen: AG C, 19 F 88/14). Das Kind lebte seit dem ... 2014 in einer Bereitschaftspflegefamilie in I am See. Besuchskontakte des Kindes mit den Kindeseltern fanden in der Folgezeit in C statt.
In dem von Amts wegen eingeleiteten Hauptsacheverfahren hat das Familiengericht mit Beschluss vom 24.03.2014 die Einholung eines familienpsychologischen Sachverständigengutachtens beschlossen. Der Sachverständige empfahl in seinem schriftlichen Gutachten, das Kind in der Pflegefamilie zu belassen, bis die Kindesmutter eine stationäre Therapie erfolgreich beendet habe. Für diesen Fall könne das Kind in den Haushalt der Kindesmutter zurückgeführt oder Mutter und Kind in eine entsprechende Einrichtung aufgenommen werden. Der Kindesvater solle durch regelmäßige und häufige Umgangskontakte eingebunden werden. Wegen der weiteren Feststellungen wird auf das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Psych. L vom 25.08.2014 Bezug genommen. Mit am 29.12.2014 erlassenen Beschluss entzog das AG - Familiengericht - C den Kindeseltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht zur Gesundheitsfürsorge und das Recht, Anträge nach §§ 27 ff. SGB VIII zu stellen, und übertrug die genannten Teile der elterlichen Sorge auf das Jugendamt der Stadt C als Ergänzungspfleger. Zur Begründung führte das Familiengericht aus: Unter Berücksichtigung des Gutachtens des Sachverständigen L sei davon auszugehen, dass die Kindeseltern auch aufgrund ihrer eigenen psychischen Verfassung nicht in der Lage seien, das Kind zu erziehen. Die notwendige Fremdunterbringung des Kindes sei unabhängig davon, ob die Kindeseltern als Paar zusammen lebten oder voneinander getrennt seien. Die Kindeseltern hätten in dem Anhörungstermin den Teilentzug der elterlichen Sorge akzeptiert. Eine spätere Rückführung des Kindes in den Haushalt der Kindesmutter bzw. in den Haushalt der Kindeseltern sei nicht ausgeschlossen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den genannten Beschluss und das dieser Entscheidung zugrunde liegende Verfahren Bezug genommen (Aktenzeichen: AG C, 19 F 97/14).
Zum 01.07.2014 bezog die Kindesmutter eine eigene Wohnung und lebte nach eigenen Angaben von dem Kindesvater getrennt. Nach Durchführung einer stationären Therapie im Klinikum F begab sich die Kindesmutter nach Absprache mit dem Jugendamt der Stadt C am 28.01.2015 in die Mutter-Kind-Einrichtung "X" in E. Ihr wurde das Kind am 05.03.2015 in E zugeführt. Zum 31.08.2015 wurde der Versuch einer Rückführung des Kindes in die Obhut der Kindesmutter im allseitigen Einvernehmen abgebrochen. Die Kindeseltern erklärten sich mit einer weiteren Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie einverstanden. Das Kind lebt seitdem in einer Bereitschaftspflegefamilie in I am See. Gemeldet ist das Kind weiterhin in E. Ein dauerhafter Verbleib des Kindes in der bisherige...