Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für Umgangsverfahren ohne vorherige Einschaltung des Jugendamts
Leitsatz (amtlich)
Es ist nach ständiger Rspr. des Senats nicht als mutwillig iS der §§ 76 Abs. 2 FamFG, 114 ZPO anzusehen, wenn ein Elternteil zur Regelung des Umgangs gem. § 1684 BGB das Familiengericht anruft, ohne vorher Beratung und Hilfe des Jugendamts in Anspruch genommen zu haben.
Normenkette
FamFG § 76 Abs. 2; ZPO § 114; BGB § 1684
Verfahrensgang
AG Coesfeld (Aktenzeichen 12 F 389/10) |
Tenor
Der angefochtene Beschl. wird abgeändert.
Der Kindesmutter wird mW ab Antragstellung ratenfreie Verfahrenskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin Dr. N aus S beigeordnet.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist gem. §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 2 ZPO zulässig und auch in der Sache begründet.
Das AG hat der Antragstellerin zu Unrecht Verfahrenskostenhilfe für das Umgangsverfahren verweigert.
Es ist nach ständiger Rspr. des Senats nicht als mutwillig iS der §§ 76 Abs. 2 FamFG, 114 ZPO anzusehen, wenn ein Elternteil zur Regelung des Umgangs gem. § 1684 BGB das Familiengericht anruft, ohne vorher Beratung und Hilfe des Jugendamtes in Anspruch genommen zu haben (vgl. 8 WF 70/10, Beschl. v. 12.07.2010; Keidel-Zimmermann, FamFG, 16. Aufl., § 76 Rz. 19; zum alten Recht: OLG Karlsruhe, FamRZ 2004, S: 1712; OLG Karlsruhe FamRZ 2004, S. 1115; OLG Hamm FamRZ 2004, S. 1116). Es gibt nämlich keinen Erfahrungssatz des Inhalts, dass eine bemittelte Partei regelmäßig die außergerichtliche Streitschlichtung suchen werde. Es muss deshalb grds. auch der bedürftigen Partei die Möglichkeit offen bleiben, sich nach eigenem Ermessen zwischen außergerichtlicher Streitschlichtung und gerichtlichem Verfahren zu entscheiden. Ist Letzteres gewählt, hat die Partei einen entsprechenden Rechtsgewährungsanspruch, auch wenn sie bedürftig ist.
Ergänzend ist vorliegend Folgendes zu berücksichtigen:
Nach der Stellungnahme des Sozialdienstes Katholischer Frauen e.V. vom 24.01.2011, der sich der Antragsgegner (Vormund) anzuschließen scheint, kommen Umgangskontakte zwischen der Kindesmutter und C nicht in Betracht. Dieser Stellungnahme schließt sich - nach Mitteilung der Antragstellerin vom 18.02.2011 - auch das Jugendamt D an.
Es ist daher davon auszugehen, dass sich, selbst wenn die Antragstellerin sich zunächst mit dem Jugendamt in Verbindung gesetzt hätte, hinsichtlich der beantragten Umgangsregelung keine Veränderung ergeben hätte.
Für den Umgangsregelungsantrag der Antragstellerin kann - auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Sozialdienstes Katholischer Frauen e.V. vom 24.01.2011 - nicht von vorneherein die Erfolgsaussicht verneint werden (§§ 76 Abs. 2 FamFG, 114 ZPO).
Insofern ist zu berücksichtigen, dass die Kindesmutter gem. § 1684 Abs. 1 BGB grds. zum Umgang berechtigt ist. Eine Einschränkung oder ein Ausschluss des Umgangsrechts kommt gem. § 1684 Abs. 4 BGB nur in Betracht, soweit dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist. Eine Entscheidung, die das Umgangsrecht oder seinen Vollzug für längere Zeit oder auf Dauer einschränkt oder ausschließt, kann nur ergehen, wenn andernfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre.
Anhaltspunkte dafür, dass das Umgangsrecht der Kindesmutter bereits in der Vergangenheit gerichtlich gem. § 1684 Abs. 4 BGB eingeschränkt oder ausgeschlossen worden ist, sind weder vorgetragen noch sonstwie ersichtlich.
Es wird daher im Hauptsacheverfahren durch Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens zu klären sein, ob und unter welchen Voraussetzungen (ggf. begleitet) Umgangskontakte durchgeführt werden können oder ob die Voraussetzungen für einen Umgangsausschluss nach § 1684 Abs. 4 BGB vorliegen.
Die außergerichtlich durch den Sozialdienst Katholischer Frauen e.V. eingeholte Stellungnahme der Psychologen Dres. O ist als Privatgutachten werten und als solches lediglich Teil des Parteivortrags (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 28. Aufl., § 402 Rz. 2).
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 76 Abs. 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO.
Fundstellen