Leitsatz (amtlich)

Gegen den untergetauchten Ausländer kann eine Hat auch im Wege der einstweiligen Anordnung nicht angeordnet werden (wie OLG Zweibrücken InfAuslR 2009, 399).

 

Normenkette

AufenthG § 62 Abs. 4; FEVG § 11; FamFG § 427

 

Verfahrensgang

LG Siegen (Beschluss vom 07.10.2009; Aktenzeichen 4 T 111/09)

AG Siegen (Beschluss vom 10.06.2009; Aktenzeichen 45 XIV 2746-B)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des AG vom 10.6.2009 wird zurückgewiesen.

Eine Erstattung außergerichtlicher Auslagen findet nicht statt.

 

Gründe

Die sofortige weitere Beschwerde ist nach den §§ 106 Abs. 2 S. 1 AufenthG, 7 Abs. 1, 3 S. 2 FEVG, 27, 29 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerdebefugnis der Betroffenen ergibt sich daraus, dass das LG die Entscheidung des AG zu ihrem Nachteil abgeändert hat.

In der Sache ist die weitere Beschwerde begründet, weil die Entscheidung des LG, auf dessen Sachverhaltsschilderung verwiesen wird, auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 27 FGG.

Das LG hat zwar zutreffend und unbeanstandet von der Rechtsbeschwerde die materiellen Voraussetzungen der Haftanordnung nach § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 4 AufenthG bejaht. Es ist sodann in Übereinstimmung mit der früheren Rechtsprechung (BGH NJW 1993, 3069; BayObLG FGPrax 1996, 240; KG FGPrax 1997, 74) zu dem Ergebnis gekommen, dass grundsätzlich auch gegen einen untergetauchten Ausländer die Haft angeordnet werden kann. Dabei hat es allerdings verfahrensrechtlich nicht hinreichend beachtet, dass die von ihm ausgesprochene abschließende Freiheitsentziehung nach Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG eine vorherige richterliche Anordnung erfordert hätte, so dass nur eine vorläufige Haftanordnung hätte in Betracht kommen können.

Die nach früherem Recht durchaus zulässige vorläufige Anordnung der Haft gegen einen untergetauchten Ausländer erweist sich aber nach neuem Recht nicht mehr als erforderlich. Denn nach § 62 Abs. 4 AufenthG in der Fassung des Gesetzes vom 25.2.2008 ist es nunmehr der für den Haftantrag zuständigen Behörde (erst) ermöglicht worden, einen Ausländer ohne vorherige richterliche Anordnung festzuhalten und vorläufig in Gewahrsam zu nehmen, wenn der dringende Verdacht für das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 62 Abs. 2 S. 1 besteht, die richterliche Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft nicht vorher eingeholt werden kann und der begründete Verdacht vorliegt, dass sich der Ausländer der Anordnung der Sicherungshaft entziehen will. In diesen Fällen ist der Ausländer nach § 62 Abs. 4 S. 2 AufenthG unverzüglich dem Richter zur Entscheidung über die Anordnung der Sicherungshaft vorzuführen. Diese Verfahrensweise macht eine vorläufige Haftanordnung entbehrlich und ist auch deshalb der früheren Vorgehensweise vorzuziehen, weil im Zeitpunkt des Erlasses der vorläufigen Haftanordnung noch nicht feststeht, ob der Aufenthalt des Ausländers innerhalb der nur kurzfristig zu bemessenden vorläufigen Haftanordnung bekannt wird und ob der Ausländer tatsächlich am Ort des Gerichts auftaucht, das über den Haftantrag entschieden hat.

Der Senat befindet sich damit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des OLG Zweibrücken (InfAuslR 2009, 399), das unter Auswertung der Rechtsprechung des BVerfG (zuletzt NVwZ 2009, 1034 = InfAuslR 2009, 301) zu der Anordnung der Abschiebungshaft für einen seit längerer Zeit untergetauchten Ausländer ausgeführt hat:

"Grundsätzlich erfordert eine Freiheitsentziehung gemäß Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG eine vorherige richterliche Anordnung. Eine nachträgliche richterliche Anordnung genügt nur, wenn der mit der Freiheitsentziehung verfolgte verfassungsrechtlich zulässige Zweck nicht erreichbar wäre, sofern der Festnahme die richterliche Entscheidung vorausgehen müsste (BVerfGE 22, 311/317). Für die Frage, wann die Freiheitsentziehung ohne richterliche Anordnung erfolgen darf, ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung über die Freiheitsentziehung abzustellen (BVerfG NVwZ 2009, 1034). Daraus folgt, dass Freiheitsentziehungen, die konkret geplant werden können, in der Regel einer richterlichen Anordnung bedürfen. Dies setzt aber voraus, dass der Aufenthaltsort des Betroffenen der Ausländerbehörde bekannt und dieser für die Behörde greifbar ist. Ist der Ausländer dagegen - wie hier - untergetaucht kann die Freiheitsentziehung nicht konkret geplant werden. Denn es kann weder der Aufgriffsort noch der Aufgriffszeitpunkt bestimmt werden. Es ist auch nicht absehbar, ob im Zeitpunkt des Ergreifens die Voraussetzungen für die Anordnung von Abschiebungshaft (noch) vorliegen und welche Behörde gegebenenfalls für eine Ingewahrsamnahme zuständig ist (BVerfG, a.a.O.). In solchen Fällen sieht § 50 Abs. 7 AufenthG die Möglichkeit der Ausschreibung des Ausländers zur Fahndung vor, die keiner richterlichen Anordnung bedarf. Im Falle der Ergreifung des Ausländers kann dieser gem. § 62 Abs. 4 AufenthG vorläufig von der Ausländerbehörde in Gewahrsam genommen und anschli...

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