Entscheidungsstichwort (Thema)
Volldynamik der Rentenanwartschaften der Apothekenkammer Westfalen-Lippe im Anwartschaftsstadium
Leitsatz (amtlich)
Die Rentenanwartschaften der Apothekenkammer Westfalen-Lippe sind auch im Anwartschaftsstadium als volldynamisch zu bewerten.
Normenkette
BGB § 1587a
Verfahrensgang
AG Bottrop (Urteil vom 16.11.2005; Aktenzeichen 13 F 74/05) |
Tenor
Die Beschwerde der Verfahrensbeteiligten zu 2) gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich im Urteil des AG Bottrop vom 16.11.2005 wird zurückgewiesen.
Die Verfahrensbeteiligte zu 2) hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Senats wird gem. § 621e Abs. 2 ZPO zugelassen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien haben am 28.4.1977 geheiratet. Nach im Februar 1997 erfolgter Trennung hat die Antragstellerin im Februar 2005 Scheidungsklage erhoben, die dem Antragsgegner am 29.4.2005 zugestellt worden ist. Das AG Bottrop hat die Ehe der Parteien durch das Verbundurteil vom 16.11.2005 geschieden und den Versorgungsausgleich auf Grund der von den beteiligten Versorgungsträgern eingeholten Auskünfte durchgeführt. Dabei hat es die Anwartschaft der Antragstellerin auf eine Monatsrente des Versorgungswerks der Apothekerkammer Westfalen-Lippe i.H.v. 2.334,12 EURals volldynamisch bewertet, obwohl der Versorgungsträger mitgeteilt hatte, die erworbene Rentenanwartschaft sei im Anwartschaftsstadium als statisch zu behandeln und nach der Barwertverordnung umzurechnen. Dem gemäß ist es zu folgendem Ausgleichsanspruch des Antragsgegners gekommen:
Rentenanwartschaften der Antragstellerin beim Versorgungswerk der Apothekerkammer 2.334,12 EUR
./. Rentenanwartschaft des Antragsgegners bei der Deutschen Rentenversicherung Bund 1.131,77 EUR
Differenz 1.202,35 EUR
½ davon als Ausgleichsanspruch 601,18 EUR
Den öffentlich-rechtlichen Ausgleich hat das AG gem. § 1587b Abs. 5 BGB auf den von der Verfahrensbeteiligten zu 1) mitgeteilten Höchstbetrag von 331,51 EUR begrenzt.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Verfahrensbeteiligte zu 2) mit der Beschwerde und macht geltend, die bei ihr bestehenden Rentenanwartschaften der Antragstellerin seien weiterhin als im Anwartschaftsstadium statisch zu behandeln, wie es auch bisher von der Rechtsprechung (bis auf eine abweichende Entscheidung in jüngster Zeit) ständig gehandhabt worden sei. Zwar könne nach der Entscheidung des BGH vom 1.12.2004 zur Bewertung von Rentenanwartschaften des Versorgungswerks der Architektenkammer zweifelhaft sein, ob die von der Kapitalmarktrendite abhängigen Gutschriften von fiktiven Beiträgen, die in den letzten 10 Jahren zu einer durchschnittlichen Anpassung der Anwartschaften um jährlich 1,76 % geführt hätten, nicht doch eine Bewertung als dynamisch rechtfertigten, sie selbst halte die Bewertung der Anwartschaften als dynamisch wegen des unregelmäßigen Verlaufs der Anpassungen aber nicht für richtig. Es bedürfe daher einer obergerichtlichen Klärung dieser Frage, um die aufgetretenen Unsicherheiten zu beseitigen.
Die übrigen Beteiligten haben zur Beschwerde keine Stellung genommen.
II. Die Beschwerde ist zulässig, bleibt aber ohne Erfolg. Der Senat teilt die Auffassung des AG, dass auf Grund der neuen Rechtsprechung des BGH geboten ist, die bei der Verfahrensbeteiligten zu 2) bestehenden Rentenanwartschaften als nicht nur im Leistungsstadium, sondern auch im Anwartschaftsstadium volldynamisch zu bewerten.
1. Allerdings trifft es zu, dass die auf Grund individueller Beiträge begründeten Versorgungsanwartschaften bei der Beteiligten zu 2) in der Vergangenheit als im Anwartschaftsstadium statisch beurteilt worden sind, weil es bei der Gewährung der Rentenleistungen aus einem individuellen Deckungskapital anders als bei der Finanzierung von Renten im Umlage- oder offenen Deckungsplanverfahren keine Anknüpfung der Rentenhöhe an die allgemeine Entwicklung des Gesamteinkommens der Mitglieder gibt, so dass vom Ansatz her keine mit der gesetzlichen Rente oder Beamtenversorgung vergleichbare Anwartschaftsdynamik besteht (vgl. Johannsen/Henrich/Hahne, Eherecht, 4. Aufl., § 1587a BGB, Rz. 234, 235).
2. Der BGH hat indessen in seiner Entscheidung vom 1.12.2004 (FamRZ 2005, S. 430 ff.) klargestellt, dass für die Beurteilung einer Versorgung als statisch oder dynamisch richtiger Weise nicht mehr in erster Linie auf das zugrunde liegende Finanzierungssystem abzustellen ist, sondern auf die Frage, ob der Wert der Versorgungsanwartschaften in gleicher oder nahezu gleicher Weise steigt wie der Wert von Anrechten der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung. Grundlage für diese neue Beurteilung ist die Tatsache, dass die Entwicklung der Renten teilweise von der Entwicklung der Erwerbseinkünfte entkoppelt worden ist und sich bei einem Vergleich der Zins- und Einkommensdynamik seit 1977 eine Verschiebung zugunsten der Kapitalrendite ergeben hat. Darauf beruht, dass kapitalgedeckte Finanzierungssysteme...