Leitsatz (amtlich)
1. Abgrenzung von Art. 1129, 1130 iran. ZGB zu ehevertraglicher Vereinbarung.
2. Die nach iranischem ZGB an das Scheidungsbegehren der Ehefrau geknüpften besonderen Voraussetzungen führen nicht zur Anwendbarkeit des Art. 6 EGBG. 3. Von einer krassen Ungleichbehandlung wegen der Geschlechtszugehörigkeit kann nicht gesprochen werden, wenn vertragliche Scheidungsgründe nach Art. 1119 iran. ZGB zugelassen sind.
Normenkette
Deutsch-Iranisches Niederlassungsabkommen Art. 8 Abs. 3; iran. ZGB Art. 1129; iran. ZGB Art. 1130; EGBGB Art. 6
Verfahrensgang
AG Siegen (Beschluss vom 02.07.2012; Aktenzeichen 15 F 565/11) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners vom 31.7.2012 gegen den am 2.7.2012 erlassenen Beschluss des AG - Familiengericht - Siegen wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Antragsgegner.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsgegner wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die vom Familiengericht mit dem angegriffenen Beschluss ausgesprochene Scheidung seiner Ehe mit der Antragstellerin.
Die Beteiligten sind iranische Staatsangehörige schiitischen Glaubens. Sie haben am 3.12.1991 in Teheran die dauerhafte Ehe geschlossen. Gleichzeitig vereinbarten sie schriftlich vor dem Heiratsnotariat Bedingungen, unter denen die Ehefrau die Scheidung einreichen kann. Darin heißt es u.a. wie folgt:
"B - Beim Abschluss des Ehevertrages gibt der Ehemann seiner Ehefrau die unwiderrufliche Vollmacht, sich in bestimmten Fällen an das Gericht zu wenden, um sich eine gerichtliche Erlaubnis zur Scheidung geben zu lassen ...
Die Fälle, in denen die Ehefrau die Scheidung beim Gericht einreichen kann, sind wie folgt:
1. Wenn der Ehemann sich weigert, die Unterhaltskosten der Ehefrau für sechs Monate, aus welchen Gründen es auch sein mag, zu bezahlen und keine Möglichkeit besteht, ihn hierzu zu zwingen, und auch dann, wenn der Ehemann die sonstigen Rechte der Ehefrau auf 6 Monate nicht achtet und auch hierzu nicht gezwungen werden kann ..."
2. Wenn das Benehmen und das Verhalten des Ehemannes unerträglich wird, so dass das Eheleben nicht fortgesetzt werden kann.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die mit der Antragsschrift in Kopie und Übersetzung vorgelegte notarielle Vereinbarung Bezug genommen.
Aus ihrer Ehe sind der am 12.12.1993 geborenen Sohn E und der am 21.01. 1998 geborene Sohn F hervorgegangen.
Die Trennung der Beteiligten erfolgte am 4.9.2009 als die Antragstellerin aus der gemeinsamen Ehewohnung auszog. Die diesbezüglichen Hintergründe sind zwischen den Beteiligten streitig.
Die Antragstellerin hat die Ansicht vertreten, sie könne sowohl nach iranischem Recht als auch aufgrund der vertraglichen Scheidungsvereinbarung die Scheidung beantragen. Hierzu hat sie behauptet, der Antragsgegner habe ihr seit der Trennung jegliche Unterhaltszahlung verweigert, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Ferner ist sie der Ansicht, dass wenn eine Scheidung nach iranischem Recht nicht möglich sein sollte, jedenfalls deutsches Recht nach dem ordre public anzuwenden sei.
Die Antragstellerin hat beantragt, die am 3.12.1991 unter der Eintragungsnummer xx vor dem offiziellen Notariat für die Eintragung von Eheschließungen Nr... in Teheran geschlossene Ehe der Beteiligten zu scheiden.
Der Antragsgegner beantragt, den Antrag zurückzuweisen.
Er hat die Ansicht vertreten, die Voraussetzungen für eine Scheidung wegen Verletzung der Unterhaltspflicht seien nicht gegeben, da das iranische Recht keinen Trennungsunterhalt kenne und der Antragstellerin wegen der Verletzung ehelicher Pflichten durch den unbegründeten Auszug kein Unterhaltsanspruch zustehe. Im Rahmen seiner persönlichen Anhörung hat er erklärt, der Scheidung zustimmen zu wollen, wenn die Antragstellerin sich für die unberechtigten Vorwürfe gegen ihn - Gewaltanwendung im Zuge der Trennung - entschuldige und auf die Morgengabe verzichte.
Das Familiengericht hat mit dem angegriffenen Beschluss die Ehe der Beteiligten geschieden.
Zur Begründung hat es ausgeführt, nach dem deutsch-persischen Niederlassungsabkommen vom 17.2.1929 finde materielles iranisches Scheidungsrecht Anwendung. Danach stehe der Antragstellerin nicht das Recht zu, die Scheidung zu beantragen, da die Voraussetzungen des Art. 1129 iran. ZGB bzw. der Scheidungsvereinbarung nicht vorlägen. Beide Regelungen erfassten nicht einen Trennungsunterhaltsanspruch, weshalb ihr nach Art. 1108 iran. ZGB wegen Verletzung der Pflicht zur Versorgung der Familie kein Unterhaltsanspruch zustehe bzw. ein solcher nicht dargelegt sei.
Das Scheidungsbegehren sei aber unter dem Gesichtspunkt des ordre public gerechtfertigt. Der Umstand, dass die Antragstellerin nach iranischem Recht die Scheidung nicht beantragen könne, sondern darauf angewiesen sei, dass der Antragsgegner die Scheidung betreibe, verstoße gegen den ordre public des Art. 6 EGBGB. Mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG sei es nicht zu vereinbaren, dass es dem Ehemann nach iranischem Recht fast ...