Verfahrensgang

AG Recklinghausen (Aktenzeichen 35 OWi - 41 Js 67/12 - 303/12)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Recklinghausen zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Recklinghausen hat gegen die Betroffene wegen fahrlässiger Aufbereitung von Getreidegut, ohne die erforderlichen Aufzeichnungen zur aufbereiteten Sorte zu führen, eine Geldbuße in Höhe von 300,- € festgesetzt.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Betroffene mit ihrer in zulässiger Weise eingelegten Rechtsbeschwerde, die sie mit der Verletzung materiellen Rechts näher begründet hat.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt wie erkannt.

II.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde der Betroffenen hat in der Sache einen - zumindest vorläufigen - Erfolg.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Antragsschrift hierzu Folgendes ausgeführt:

"Bereits auf die allgemein erhobene Sachrüge hin kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben, weil es den Anforderungen der §§ 267 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG an die Urteilsfeststellungen und an die Beweiswürdigung nicht entspricht.

Zwar sind im Bußgeldverfahren an die Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe keine übertrieben hohen Anforderungen zu stellen. Dennoch kann für deren Inhalt grundsätzlich nichts anderes als im Strafverfahren gelten. Denn auch im Bußgeldverfahren sind die Urteilsgründe die alleinige Grundlage für die rechtliche Überprüfung des Urteils auf die Sachbeschwerde hin. Sie müssen daher so beschaffen sein, dass dem Rechtsbeschwerdegericht die Nachprüfung einer richtigen Rechtsanwendung ermöglicht ist. Dies setzt voraus, dass die für erwiesen erachteten Tatsachen angegeben werden, in denen die gesetzlichen Merkmale der Ordnungswidrigkeit gefunden werden sowie die Beweiswürdigung dargelegt wird, weil das Rechtsbeschwerdegericht nur so in die Lage versetzt wird, die Beweiswürdigung des Tatrichters auf Widersprüche, Unklarheiten, Lücken oder Verstöße gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze zu überprüfen (zu vgl. Karlsruher Kommentar, OWiG, 3. Auflage, Rdnr. 107 zu § 71; Göhler, OWiG, 16. Auflage, Rdnrn. 43, 43a zu § 71).

Die Festsetzung einer Geldbuße gegen eine juristische Person nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 OWiG erfordert die Feststellung einer von ihrem Organ begangenen Ordnungswidrigkeit, durch die Pflichten, die juristische Personen oder Personenvereinigungen betreffen, verletzt worden sind oder durch die diese bereichert ist oder bereichert werden sollte.

Gemessen an diesen Maßstäben wird aus den Gründen des angefochtenen Urteils nicht hinreichend deutlich, welches konkrete Unterlassen der für die Betroffene verantwortlich Handelnden vorgeworfen werden kann. Aus den Urteilsgründen ergibt sich schon nicht, wann die Betroffene zur Auskunftserteilung aufgefordert worden ist und in welchem Tatzeitraum und in wie vielen Fällen sie gegen etwaige Mitteilungspflichten verstoßen haben soll. Es mangelt an tragfähigen Feststellungen dazu, aus welchen konkreten Gründen den Verantwortlichen ein schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen sei.

Die Beweiswürdigung erweist sich somit als rechtsfehlerhaft. Das Urteil beruht auch auf diesem sachlich-rechtlichen Mangel."

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat nach eigener Sachprüfung an. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Feststellungen auch insoweit lückenhaft sind, als ihnen nicht zu entnehmen ist, ob die Betroffene überhaupt keine Aufzeichnungen i.S.v. § 1 SaatAufzV geführt hat oder aber ob diese lediglich lückenhaft im Hinblick auf die Angabe der Sorte waren.

Entgegen der Rechtsbeschwerdebegründung sind von der Betroffenen auch grundsätzlich Aufzeichnungen gemäß § 27 SaatG i.V.m. § 1 SaatAufzV zu fertigen. Für die Betroffene gilt auch nicht § 2 Abs. 1 Nr. 12 b aa) SaatG, wonach das Abgeben von Saatgut an Erbringer von Dienstleistungen zur Bearbeitung, insbesondere Aufbereitung und Verpackung, nicht ein Inverkehrbringen zu gewerblichen Zwecken ist. Die Betroffene hat eine Aufzeichnungspflicht gemäß § 1 SaatAufzV, da sie das Saatgut "für andere bearbeitet" und nicht "gewerbsmäßig in den Verkehr bringt".

Auch die mit der Rechtsbeschwerde zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 14. Februar 2006 (X ZR 185/03) und vom 30. März 2005 (X ZR 191/03) sind vorliegend nicht einschlägig, da der BGH über die Auskunftspflicht des Aufbereiters gegenüber dem Sortenschutzinhaber geurteilt und diese Pflicht insoweit eingeschränkt hat, dass der Sortenschutzinhaber Anhaltspunkte für den Nachbau geschützter Sorten durch einen Landwirt haben muss, um bestimmte Auskünfte bei den Aufbereitern einholen zu können. Hinsichtlich Aufzeichnungspflichten gemäß § 1 SaatAufzV verhalten sich die Urteile des BGH nicht.

Der BGH hat jedoch in den zuvor zitierten Entscheidungen sowie auch das Oberlandesgericht des Landes Sachsen-...

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