Leitsatz (amtlich)
1.
Enthält das tatrichterliche Urteil wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung keine Angaben zu dem vorgenommenen Toleranzabzug von der gemessenen Geschwindigkeit des Betroffenen , bedeutet das Fehlen dieser Angabe nicht, dass die Feststellungen zu der dem Betroffenen vorgeworfenen Tat als lückenhaft anzusehen sind.
2.
Ein Sonderfall, der ein Absehen vom Regelfahrverbot rechtfertigen würde, wird nicht dadurch begründet, dass der Zweck oder der Anlass einer Geschwindigkeitsbeschränkung für einen Kraftfahrer nicht ohne weiteres sofort erkennbar ist.
Verfahrensgang
AG Herford (Entscheidung vom 28.07.2003) |
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den diesem zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Herford zurückverwiesen.
Gründe
I.
Durch das angefochtene Urteil ist der Betroffene wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit gemäß den §§ 24 Abs. 2 StVG, 41 (Zeichen 274), 49 Abs. 3 Ziffer 4 StVO (außerörtliche Geschwindigkeitsüberschreitung um 29 km/h) zu einer Geldbuße von 270,- EUR verurteilt worden.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts betreibt der Betroffene ein kleines medizinisch-elektronisches Unternehmen. Um seine Kunden innerhalb Deutschlands aufzusuchen, ist er regelmäßig mit einem Geschäftsfahrzeug unterwegs, mit dem er pro Jahr ca. 120.000 km zurücklegt.
Das Amtsgericht hat weiterhin festgestellt, dass der Betroffene bereits straßenverkehrsrechtlich in Erscheinung getreten ist. Er wurde durch Entscheidung des Amtsgerichts Vechta vom 05.03.2001, rechtskräftig seit dem 17.02.2001, wegen einer fahrlässigen Überschreitung der durch Verkehrsschilder angeordneten Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um mindestens 27 km/h auf der BAB A 1 zu einer Geldbuße von 100,- DM verurteilt. Gegen ihn wurde außerdem durch Bußgeldbescheid des Kreises Viechtach vom 17.06.2002, rechtskräftig seit dem 04.07.2002, wegen Überschreitung der durch Verkehrsschilder angeordneten Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h um mindestens 37 km/h auf der BAB A 7 eine Geldbuße in Höhe von 150,- EUR verhängt.
Zur Sache hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:
"Der Betroffene befuhr am 22.10.2002 gegen 19.07 Uhr mit einem Pkw, amtl. Kennzeichen XXX im Bereich der Gemeinde Kirchlengern die Bundesautobahn A 30 in Fahrtrichtung Bad Oeynhausen. In Höhe des Kilometers 117,650 hatte der Betroffene eine Baustelle zu passieren. Innerhalb dieser Baustelle war durch mehrfach aufgestellte Verkehrszeichen eine Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h angeordnet. Der Betroffene achtete beim Passieren der entsprechenden Verkehrszeichen nicht auf die angeordnete Höchstgeschwindigkeit. Er fuhr mit einer Geschwindigkeit von mindestens 89 km/h durch die Baustelle. Er fiel dabei einem Polizeibeamten auf, der im Rahmen einer ordnungsgemäß durchgeführten Geschwindigkeitsmessung mit einem Radarmessgerät eine "Nettogeschwindigkeit" von 89 km/h feststellte. Der Betroffene überschritt somit die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h aus Fahrlässigkeit um mindestens 29 km/h. Diese Geschwindigkeitsüberschreitung hätte er ohne weiteres erkennen und vermeiden können."
Diese Feststellungen beruhen nach den weiteren Ausführungen in dem angefochtenen Urteil u.a. auf der Einlassung, die die Verteidigung für den Betroffenen abgegeben hat.
Das Amtsgericht ist bei der Bemessung der Geldbuße von der nach der Bußgeldkatalogverordnung für einen Verstoß der festgestellten Art vorgesehenen Regelbuße in Höhe von 50,- EUR ausgegangen und hat diese unter Berücksichtigung der Vorbelastungen des Betroffenen auf 90,- EUR erhöht. Es hat sodann festgestellt, dass im vorliegenden Verfahren die Voraussetzungen für die Verhängung eines Fahrverbotes gemäß § 4 Abs. 2 der BKatV vorliegen. Es hat aber dennoch von der Anordnung des Regelfahrverbotes abgesehen. Im Rahmen der Begründung dieser Entscheidung wird unterstellt, dass die Reduzierung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 60 km/h aus Anlass einer Baustelle erfolgt sei und ausgeführt, dass unter Berücksichtigung des Akteninhalts letztlich offen bleibe, ob ein Kraftfahrer wie der Betroffene in der Lage gewesen sei, die Notwendigkeit der aufgestellten Verkehrszeichen mit der Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h zu erkennen und zu beachten oder ob ein Kraftfahrer Anlass gehabt habe, die Baustellenbeschilderung nicht völlig ernst zu nehmen. Dem Gericht sei es deshalb letztlich nicht möglich, das Ausmaß des Verschuldens sachgerecht zu beurteilen und insbesondere festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Verhängung eines Fahrverbotes nach § 25 StVG vorlägen. Als Beurteilungsgrundlage verbleibe vielmehr lediglich die Höhe der begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung, also der bloße formelle Verstoß gegen eine Geschwindigkeitsbeschränkung. Insbesondere wenn es um die Verhängung eines Fahrverbotes gehe, müsse aber eigentlich eine weit...