Leitsatz (amtlich)

1. Eine unrichtige Darstellung des Streitverhältnisses i.S.v. § 124 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegt vor, wenn der Beteiligte vorsätzlich falsche Tatsachen behauptet oder wahre Tatsachen verschwiegen hat und das Gericht infolgedessen die Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung oder -verteidigung bejaht oder deren Mutwilligkeit nicht erkannt hat. Gleiches gilt, sofern der Beteiligte seinen Vortrag nicht berichtigt, obwohl dies geboten war.

2. Die Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liegen vor, sofern der Antragsteller im Unterhaltsverfahren eine Verbesserung seiner Erwerbseinkünfte aufgrund der Ausdehnung seiner Erwerbstätigkeit vor der Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe nicht mitteilt.

3. Das Verschweigen höherer Erwerbseinkünfte kann zudem die Aufhebung der bewilligten Verfahrenskostenhilfe nach § 124 Abs. 1 Nr. 2, HS. 2 ZPO rechtfertigen.

 

Normenkette

FamFG § 113 Abs. 1 S. 2; ZPO § 124 Abs. 1 Nr. 1, § 124 Nr. 2

 

Verfahrensgang

AG Bottrop (Beschluss vom 22.07.2015; Aktenzeichen 19 F 126/15)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den am 22.07.2015 erlassenen Beschluss des AG - Familiengericht - Bottrop wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten sind seit Anfang 2014 voneinander getrennt lebende Ehegatten. Das Scheidungsverfahren ist mittlerweile beim Familiengericht anhängig (Aktenzeichen: AG Bottrop, 19 F 77/15). Aus der Ehe sind die Kinder N, geboren am ... 1997, und O, geboren am ... 1999, hervorgegangen. N befindet sich mittlerweile in der Berufsausbildung und bezieht nach Abzug eines ausbildungsbedingten Mehrbedarfs von 90 EUR eine Ausbildungsvergütung von 596,24 EUR monatlich. O ist noch Schüler. Der Kindesunterhalt für O ist für die Zeit ab September 2015 i.H.v. 115 % des Mindestunterhalts der 3. Altersstufe (506 EUR abzüglich hälftiges Kindergeld i.H.v. 92 EUR = 414 EUR) tituliert (Urkunde des JA C vom 03.09.2015, Beurkundungsregisternummer: 282/2015). Beide Kinder leben bei der Antragstellerin.

Seit dem 24.11.2014 ist die Antragstellerin bei der Firma Q GmbH in H teilschichtig erwerbstätig. Ihre regelmäßige Arbeitszeit umfasste zunächst 80 Stunden pro Monat zuzüglich Nacht-/Sonntags-/Mehr- und Überarbeit. Der Bruttostundenlohn belief sich auf anfangs 9 EUR. Die Antragstellerin wird von ihrem Arbeitgeber an verschiedenen Einsatzorten im Ruhrgebiet eingesetzt. Wegen der Berechnung der ihr dadurch entstehenden Fahrtkosten wird auf den Schriftsatz vom 23.07.2015 Bezug genommen. In der Zeit von Januar 2015 bis einschließlich Juli 2015 erzielte die Antragstellerin ein Nettoeinkommen von insgesamt 6.520,65 EUR (monatsanteilig: 931,52 EUR). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den zu den Akten gereichten Arbeitsvertrag vom 24.11.2014 verwiesen.

Aus einer geringfügigen Beschäftigung in der Arztpraxis I in C verdient die Antragstellerin als Putzhilfe weitere 400 EUR netto im Monat. Diese geringfügige Beschäftigung übt die Antragstellerin bereits seit Januar 2013 aus.

Am 30.04.2014 erhielt die Antragstellerin aus ihrer Lebensversicherung einen Betrag von 19.166,19 EUR. ausgezahlt. Wegen der mit der Versicherungssumme getätigten Aufwendungen wird auf die Aufstellung seitens der Antragstellerin in dem Schriftsatz vom 23.07.2015 Bezug genommen.

Die Antragstellerin hat die Zahlung von Trennungsunterhalt und die Zahlung von Kindesunterhalt für den Sohn O, jeweils ab April 2014 begehrt. Dabei hat sie für das Jahr 2014 einen monatlichen Trennungsunterhalt von 1.177 EUR, für die Zeit von Januar bis April 2015 einen monatlichen Trennungsunterhalt von 1.038 EUR und für die Zeit ab Mai 2015 einen monatlichen Trennungsunterhalt von 1.062 EUR berechnet. Grundlage dieser Berechnung war für das Jahr 2014 ein eigenes Einkommen in Höhe von 400 EUR monatlich und für die Zeit ab Januar 2015 ein Nettoeinkommen von 582,78 EUR zuzüglich 400 EUR aus der geringfügigen Beschäftigung pro Monat. Angaben zu der an sie ausgezahlten Lebensversicherung hat die Antragstellerin nicht gemacht.

Die Antragstellerin hat zudem die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe beantragt.

Mit am 02.06.2015 erlassenen Beschluss hat das AG - Familiengericht - Bottrop der Antragstellerin unter Beiordnung ihres Verfahrensbevollmächtigten Verfahrenskostenhilfe nach Antrag bewilligt. Mit Schriftsatz vom 15.06.2015 hat der Antragsgegner den Einwand der Verwirkung erhoben, weil die Antragstellerin ihr Erwerbseinkommen für die Zeit ab April 2014 deutlich zu niedrig angegeben habe. Sie habe überdies die Auszahlung der Lebensversicherungssumme verschwiegen. Innerhalb der vom Familiengericht mit Verfügung vom 18.06.2015 gesetzten Stellungnahmefrist von drei Wochen hat die Antragstellerin nicht reagiert. Mit Beschluss vom 22.07.2015 hat das Familiengericht die der Antragstellerin bewilligte Verfahrenskostenhilfe sodann widerrufen. Zur Begründung hat das Familiengericht ausgeführt:

Der Widerruf erfolge sowohl aus subjektiven Gründen wegen fehlender Bedürftigkeit als auch aus materiell-rechtlichen Gründen. Die...

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