Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiordnung eines nicht beim Prozessgericht zugelassenen Anwalts im Scheidungsverfahren. Prozesskostenhilfe. hier: uneingeschränkte Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts
Leitsatz (redaktionell)
Ein auswärtiger Rechtsanwalt ist nicht beschränkt zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts beizuordnen, wenn die Beauftragung im Rahmen eines Ehescheidungsverfahrens erfolgt, dessen Umfang und Schwierigkeit zu Beginn der Beauftragung noch nicht feststeht und bei dem die Voraussetzungen der Beiordnung eines Verkehrsanwalts gegeben sind.
Normenkette
ZPO § 121 Abs. 3-4; GG Art. 3 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Hagen (Beschluss vom 09.02.2005; Aktenzeichen 131 F 67/05) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG - FamG - Hagen vom 9.2.2005 hinsichtlich der Prozesskostenhilfebewilligung für den Antragsteller dahin gehend geändert, dass bei der Beiordnung von Rechtsanwalt der Zusatz "zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts" entfällt.
Gründe
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. § 121 Abs. 3 ZPO, wonach ein nicht bei dem Prozessgericht zugelassener Rechtsanwalt nur beigeordnet werden kann, wenn dadurch weitere Kosten nicht entstehen, steht einer uneingeschränkten Beiordnung des in ... niedergelassenen Anwalts des in ... wohnhaften Antragstellers für das beim AG Hagen anhängige Scheidungsverfahren nicht entgegen.
Dies folgt aus der nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG (vgl. zuletzt BVerfG v. 4.2.2004 - 1 BvR 596/03, NJW 2004, 1789) im Rahmen der durch Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem allgemeinen Rechtsstaatsprinzip gebotenen weitgehenden Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung ihres Rechtsschutzes und der daran anschließenden Rechtsprechung des BGH (vgl. z.B. BGH v. 16.10.2002 - VIII ZB 30/02, MDR 2003, 233 = BGHReport 2003, 152 m. Anm. Madert = NJW 2003, 898), wonach die Zuziehung eines in der Nähe ihres Wohn- oder Geschäftsortes ansässigen Rechtsanwalts durch eine an einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei im Regelfall eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung darstellt. Denn eine ihre Belange vernünftig und kostenbewusst wahrnehmende Partei darf für das zur Verfolgung ihrer Interessen notwendige persönliche Beratungsgespräch mit einem Rechtsanwalt den für sie einfacheren und nahe liegen Weg wählen und einen an ihrem Wohn- und Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten beauftragen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kann dann gegeben sein, wenn schon zum Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts feststeht, dass ein eingehendes Mandantengespräch nicht erforderlich sein wird.
Dies kann bei einer Beauftragung im Rahmen eines Scheidungsverfahrens wie hier, dessen Umfang und Schwierigkeit, insb. im Hinblick auf etwaige Folgesachen, zu Beginn der Beauftragung noch nicht feststeht, nicht angenommen werden.
Daher hat der BGH entschieden (BGH v. 23.6.2004 - XII ZB 61/04, MDR 2004, 1373 = BGHReport 2004, 1371 m. Anm. Schneider = NJW 2004, 2749), dass bei der Entscheidung über die Beiordnung eines nicht am Prozessgericht niedergelassenen Rechtsanwalts stets auch zu prüfen ist, ob die Voraussetzungen des § 121 Abs. 4 ZPO zur Beiordnung eines Verkehrsanwalts gegeben wären. Wenn dies der Fall ist, kommt eine einschränkende Beiordnung nicht in Betracht.
Nun kann hier dahinstehen, ob für den Fall, dass der Antragsteller einen Rechtsanwalt aus ... beauftragt hätte, im Hinblick auf die relativ geringe Entfernung zwischen ... und ... zugleich die Beiordnung eines Verkehrsanwaltes in ... in Betracht gekommen wäre. In jedem Fall kann es dem Antragsteller aus den oben genannten Gesichtspunkten nicht verwehrt werden, von vornherein einen an seinem Wohnort ansässigen Anwalt seines Vertrauens zu beauftragen. Mehrkosten sind hierfür auch deswegen nicht zu befürchten, weil die Kosten, die dem Antragsteller dadurch erwachsen würden, dass er zu notwendigen Informationsgesprächen mit einem Anwalt aus H. anreisen müsste, ähnlich hoch wären wie der Reiseaufwand des auswärtigen Anwalts zur Wahrnehmung der Gerichtstermine (OLG Nürnberg v. 6.10.2004 - 10 WF 3403/04, MDR 2005, 539 = NJW 2005, 687).
Fundstellen
NJW 2005, 1724 |
FPR 2005, 413 |
MDR 2006, 337 |
FF 2005, 203 |
OLGR-Mitte 2005, 565 |
RVG-Letter 2005, 95 |