Leitsatz (amtlich)

1. Der einstweilige Rechtsschutz kann sich ausnahmsweise auf die Verpflichtung zur Einreichung der ursprünglichen Gesellschafterliste zum Handelsregister erstrecken, wenn das Vorgehen einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung erkennbar darauf ausgerichtet ist, den präventiven Rechtsschutz eines Gesellschafters zu vereiteln.

2. Die Rechtsordnung hat einem Gesellschafter maximalen effektiven Rechtsschutz zu gewähren, wenn die anderen Gesellschafter die Geschäftsanteile des betroffenen Gesellschafters auf einer nicht ordnungsgemäß einberufenen Gesellschafterversammlung entgegen einer früheren richterlichen Anordnung eingezogen haben und die Gesellschaft dem betroffenen Gesellschafter kein Protokoll über die Gesellschafterversammlung übersandt und die geänderte Gesellschafterliste ohne Anhörung des betroffenen Gesellschafters heimlich zum Handelsregister eingereicht hat und im Nachgang jeden Kontaktversuch des betroffenen Gesellschafters ablehnt. In einem solchen Ausnahmefall ist der einstweilige Rechtsschutz nicht auf die Erhaltung des status quo beschränkt (Zuordnung eines Widerspruchs gegen die geänderte Gesellschafterliste und Verpflichtung zur Behandlung als Gesellschafter mit allen Rechten und Pflichten), sondern umfasst auch die Wiederherstellung des ursprünglichen Handelsregisters (Verpflichtung zur Einreichung der ursprünglichen Gesellschafterliste), um die Regelungssystematik des § 16 GmbHG wiederherzustellen.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1, § 1004 Abs. 1; GmbHG § 16; ZPO §§ 935, 940

 

Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 24 O 23/24)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers vom 13.06.2024 wird der Beschluss des Landgerichts Münster vom 13.06.2024 (Az.: 24 O 23/24) unter Aufrechterhaltung des stattgebenden Verfügungsantrags zu 2 teilweise abgeändert und wie folgt ergänzt:

Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, eine korrigierte und den Stand bis zum 05.06.2024 wiedergebende Liste der Gesellschafter zum Handelsregister einzureichen, aus der die Gesellschafterstellung des Antragstellers bei der Antragsgegnerin als Inhaber der Geschäftsanteile mit den lfd. Nrn. N02 bis N03 hervorgeht.

Der Antragsgegnerin wird bis zur rechtskräftigen Feststellung der Wirksamkeit der am 05.06.2024 gefassten Beschlüsse untersagt, diese ganz oder teilweise umzusetzen, insbesondere registerrechtlich zu vollziehen.

Der Antragsgegnerin wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken gegen die Geschäftsführer, angedroht.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Erlass- und des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 100.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz nach Einziehung seiner Geschäftsanteile an einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen des Antragstellers ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Der Antragsteller war Gründer und früherer Geschäftsführer der Antragsgegnerin und ist Gesellschafter mit einem Geschäftsanteil von zuletzt 29 % (lfd. Nr. N02 bis N03). Weitere Gesellschafter sind die I. AG mit einem Geschäftsanteil von 51 % (lfd. Nr. N04 bis N05) und die Herren O. und Y. mit jeweils einem Geschäftsanteil von 10 %. Der Antragsteller vermietete eine Immobilie an die Antragsgegnerin und stand mit ihr in einem Arbeitsverhältnis.

Im Dezember 2023 deutete die Mehrheitsgesellschafterin gegenüber dem Antragsteller an, eine Übernahme aller Gesellschafteranteile, eine Kündigung des Mietverhältnisses und eine Freistellung vom Arbeitsverhältnis anzustreben. In der Folgezeit kündigte sie das Mietverhältnis und machte dem Antragsteller ein Angebot zur Übernahme seiner Geschäftsanteile, das der Antragsteller zurückwies.

Daraufhin kündigte die Antragsgegnerin das Arbeitsverhältnis und lud die Gesellschafter zu einer Gesellschafterversammlung am 06.02.2024 ein, um u.a. über die Einziehung der Geschäftsanteile des Antragstellers aus wichtigem Grund zu beschließen. Die Gesellschafter beschlossen auf der Gesellschafterversammlung u.a. mehrheitlich gegen die Stimme des Antragstellers die Einziehung seiner Geschäftsanteile, die Beauftragung des Geschäftsführers zur Ermittlung und Auszahlung einer Einziehungsvergütung und die Bildung neuer Geschäftsanteile zur Zuordnung an die Mehrheitsgesellschafterin.

Der Antragsteller erhob gegen die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses eine Klage vor dem Arbeitsgericht Rheine (Az.: 2 Ca 65/24). Dieses stellte mit Urteil vom 27.05.2024 die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses fest.

Außerdem erwirkte der Antragsteller vor dem Landgericht Münster eine einstweilige Verfügung vom 14.02.2024 (Az.: 26 O 3/24), wonach der Antragsgegnerin vorläufig untersagt wurde, eine geänderte Liste der Gesellschafter zum Handelsregister einzureichen, und diese vorläufig verpflichtet wurde, den Antragsteller als Gesellschafter mit allen Rechten un...

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