Entscheidungsstichwort (Thema)
Sorgerechtsverfahren, Kindeswohlgefährdung, Unvoreingenommenheit des Sachverständigen
Leitsatz (amtlich)
1. Der mit der Feststellung zu Fragen des Entzugs der elterlichen Sorge beauftragte Sachverständige, der nach Abschluss seiner Untersuchungen das Vorliegen einer akuten Kindeswohlgefährdung feststellt, welches einen Aufschub von Maßnahmen zum Schutz des Kindes bis zur schriftlichen Abfassung seines Gutachtens nicht gestattet, setzt sich nicht alleine dadurch dem Vorwurf der fehlenden Unvoreingenommenheit aus, dass er die zuständigen Behörden bereits vor Einreichung seines schriftlichen Gutachtens von der bestehenden Gefahrenlage in Kenntnis setzt, mit dem Ziel, das Maßnahmen zum Schutz des Kindes getroffen werden können.
2. Der Vorwurf der fehlenden Unvoreingenommenheit kann sich in einem solchen Fall aber daraus ergeben, dass der Sachverständige die von den zu treffenden Maßnahmen betroffenen Beteiligten an dem Verfahren nicht zeitnah von seinem Vorgehen in Kenntnis setzt und dadurch verhindert, dass sie sich gegen die aufgrund der Mitteilung des Sachverständigen zu treffenden Maßnahmen angemessen zur Wehr setzen können.
Normenkette
FamFG § 30 Abs. 1; ZPO § 42 Abs. 1, § 406 Abs. 1
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an das LG zurückverwiesen.
Kosten werden nicht erstattet (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Gründe
Die sofortige Beschwerde ist zunächst zulässig Das LG hat die begehrte Prozesskostenhilfe allein deshalb verweigert, weil die beabsichtigte Klage wegen fehlender Prozessfähigkeit und demzufolge nicht ordnungsgemäßer Vertretung der Antragstellerin unzulässig sei, mithin keine Aussicht auf Erfolg habe. Das dagegen gerichtete Rechtsmittel der Antragstellerin betrifft dementsprechend den Streit um deren Prozessfähigkeit. Es ist anerkannt, dass eine Prozesspartei, deren Prozessfähigkeit in Streit steht, in diesem Streit als prozessfähig zu behandeln ist (vgl. dazu nur Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 52 Rz. 6 m.w.N.). Dementsprechend ist die Zulässigkeit der - auch fristgerecht eingelegten - sofortigen Beschwerde zu bejahen.
Das danach zulässige Rechtsmittel führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie (gem. § 572 Abs. 3 ZPO) zur Zurückverweisung der Sache an das LG. Mit der vom LG angeführten Begründung kann der Antragstellerin - jedenfalls derzeit - die begehrte Prozesskostenhilfe nicht verweigert werden. Richtig ist zunächst, dass das Gericht im Rahmen des Prozesskostenhilfeprüfungsverfahrens auch die Prozessvoraussetzungen, namentlich die Prozessfähigkeit der Antragstellerin, zu prüfen hat und bei nicht ausräumbaren Zweifeln an der Prozessfähigkeit der Antragstellerin das Prozesskostenhilfegesuch abzulehnen ist (vgl. dazu nur Zöller/Geimer, a.a.O., § 114 Rz. 22 sowie OLG Frankfurt, Beschl. v. 15.1.2007 - 1 W 61/06, zitiert nach juris). Die von der Antragstellerin angeführten Vorschriften der § 275 FamFG und § 276 Abs. 4 FamFG sind im vorliegenden Verfahren, das keine Betreuungsache i.S.d. § 271 FamFG zum Gegenstand hat, nicht einschlägig; maßgebend für den hier in Rede stehenden Schadensersatzprozess sind vielmehr die Bestimmungen der ZPO. Da § 57 ZPO und § 56 Abs. 2 ZPO hier ebenfalls nicht einschlägig sind, besteht für das Prozessgericht auch sonst keine Handhabe, die Antragstellerin trotz etwa gegebener Prozessunfähigkeit ausnahmsweise zur Prozessführung zuzulassen oder ihr einen Prozesspfleger zu bestellen (vgl. dazu allgemein OLG Frankfurt, a.a.O.). Allerdings müssen vor einer Ablehnung der Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Prozessfähigkeit der antragstellenden Partei zunächst alle Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft werden (vgl. OLG Köln, JurBüro 1993, 744). Da es um eine Prozessvoraussetzung geht, sind dabei vor Ablehnung der Prozesskostenhilfe ggf. von Amts wegen - ohne Bindung an die förmlichen Beweismittel des Zivilprozesses - gem. § 118 Abs. 2 ZPO Erhebungen anzustellen und Beweise zu erheben; soll der antragstellenden Partei die Prozessfähigkeit abgesprochen und deshalb die Prozesskostenhilfe versagt werden, muss dabei aus Sicht des Senats regelmäßig jedenfalls die betroffene Person persönlich angehört werden (vgl. dazu OLG Oldenburg MDR 2008, 1355).
Vorliegend sprechen die im Betreuungsverfahren eingeholten psychiatrischen bzw. neurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 22.2.2006 (Bl. 26 ff. der beigezogenen Betreuungsakten 10 XVII F 240 Ag Paderborn) und vom 25.4.2006 (Bl. 115 ff. der vorgenannten Betreuungsakten) aus dem Jahre 2006 zwar in der Tat deutlich für eine fortdauernde Geschäftsunfähigkeit der Antragstellerin. Diese hat jedoch im vorliegenden Verfahren geltend gemacht, (heute) durchaus geschäftsfähig und in der Lage zu sein, eigene Entscheidungen zu treffen. Bei dieser Sachlage, insbesondere im Hinblick auf das Alter der bislang vorliegenden Gutachten, hätte das LG - entsprechend den vorgenannten Grundsätzen - vor einer auf eine mangelnde Prozes...