Entscheidungsstichwort (Thema)

Zuständigkeit "große" Strafvollstreckungskammer. Überweisung. Vollzug. lebenslange Freiheitsstrafe. Entziehungsanstalt. Sicherungsverwahrung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Entscheidung über die Fortdauer einer in Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe im Wege der nachträglichen Überweisung in den Vollzug der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vollzogenen Maßregel (§ 67a Abs. 2 S. 2 StGB) ist der Prüfungsmaßstab für die zu treffende Entscheidung § 67a Abs. 3 StGB zu entnehmen.

2. Über diese Entscheidung hat die Strafvollstreckungskammer gem. § 78b Abs. 1 Nr. 2 GVG in der Besetzung mit einem Richter zu entscheiden.

3. Eine Besetzung der Strafvollstreckungskammer mit drei Richtern wäre lediglich dann gegeben, wenn die Entscheidung nach § 67a Abs. 3 StGB mit einer in § 78b Abs. 1 Nr. 1 GVG genannten Entscheidung verbunden wäre oder mit ihr in einem unauflöslichen Zusammenhang stünde.

4. Bei der Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe im Vollzug der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 67a Abs. 2 S. 2 StGB wäre dies nur dann der Fall, wenn die Strafvollstreckungskammer neben der turnusmäßigen Entscheidung nach § 67a Abs. 4 S. 2 StGB auch - auf einen entsprechenden Antrag hin - über die Aussetzung des Vollzugs der lebenslangen Freiheitsstrafe zu entscheiden hätte.

 

Normenkette

GVG § 78b Abs. 1 Nr. 1; StGB § 67a Abs. 3, 2

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Aktenzeichen 15 StVK 3300/20)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers (§ 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.

 

Gründe

I.

Das Landgericht Dortmund hat den Untergebrachten am 22. Oktober 1996 wegen Mordes und versuchtem sexuellem Missbrauch von Kindern zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Daneben ordnete es die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an.

Der Untergebrachte hat sich vom 02. Oktober 1996 bis zum 31. Januar 1997 zunächst in Untersuchungshaft befunden. Daran hat sich der Vollzug einer Strafhaft aus einer anderen Sache angeschlossen. Seit dem 23. Juli 1997 verbüßt der Untergebrachte die lebenslange Freiheitsstrafe. Mit Beschluss vom 24. November 2016 hat das Landgericht Bielefeld den Untergebrachten in den Vollzug der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt überwiesen. Seit dem 01. März 2017 befindet sich der Untergebrachte in der LWL-Maßregelvollzugsklinik A.

Am 16. Februar 2021 hat ein Anhörungstermin vor der 15. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld stattgefunden. Mit Beschluss vom 17. Februar 2021 hat die Strafvollstreckungskammer in der Besetzung mit drei Richtern entschieden, dass die Unterbringung fortdauert. Gegen den am 23. Februar 2021 dem Untergebrachten zugestellten Beschluss hat der Untergebrachte mit Fax seiner Verteidigerin vom 02. März 2021 sofortige Beschwerde eingelegt.

II.

Die gemäß §§ 463 Abs. 6, 462 StPO statthafte und gemäß § 311 Abs. 2 StPO fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet. Zwar war die Strafvollstreckungskammer bei der Entscheidungsfindung nicht gesetzmäßig besetzt und hat in der angegriffene Entscheidung den falschen Prüfungsmaßstab herangezogen, jedoch ist die Entscheidung im Ergebnis nicht zu beanstanden.

1. Die Strafvollstreckungskammer war bei ihrer Entscheidung nicht gesetzmäßig besetzt, denn sie hat mit drei Richtern entschieden. Dies ist gem. § 78b Abs. 1 Nr. 1 GVG für Verfahren über die Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe oder die Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung und die diesbezüglichen nachträglichen Entscheidungen (BeckOK GVG/Huber, 10. Ed. 15.2.2021, GVG § 78b Rn. 4) vorgesehen. Da es sich vorliegend weiterhin um die Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe im Vollzug der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 67a Abs. 2 S. 2 StGB handelt (Dölling/Duttge/König/Rössner, Gesamtes Strafrecht, StGB § 67a Rn. 8, beck-online), ist der Prüfungsmaßstab für die zu treffende Entscheidung § 67a Abs. 3 StGB zu entnehmen. Über diese Entscheidung hat die Strafvollstreckungskammer hingegen gem. § 78b Abs. 1 Nr. 2 GVG in der Besetzung mit einem Richter zu entscheiden.

Die gegenteilige Ansicht, die annimmt, dass "nach gängiger, über den Wortlaut hinausgehender Auslegung von § 78b Abs. 1 Nr. 1 GVG" die große Strafvollstreckungskammer zu entscheiden habe (MüKoStGB/Veh, 4. Aufl. 2020, StGB § 67a Rn. 31) vermag nicht zu begründen, welche Gründe oder welches Bedürfnis für eine solche über den gesetzlichen Wortlaut hinausgehende Auslegung bestehen sollen. Eine solche Besetzung der Strafvollstreckungskammer mit drei Richtern wäre lediglich dann gegeben, wenn die Entscheidung nach § 67a Abs. 3 StGB mit einer in § 78b Abs. 1 Nr. 1 GVG genannten Entscheidung verbunden wäre oder mit ihr in einem unauflöslichen Zusammenhang stünde (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 25. Februar 2021, 3 Ws 68-70/21). Im Fall der Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe im Vo...

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