Verfahrensgang

AG Gladbeck (Entscheidung vom 15.05.2001; Aktenzeichen 30 F 178/00)

AG Gladbeck (Entscheidung vom 06.04.2001)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Gladbeck vom 15. Mai 2001 abgeändert.

Der Antrag des Antragstellers auf einen - teilweisen - Entzug der elterlichen Sorge wird abgewiesen.

Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Im übrigen trägt jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten nach einem Wert von 5.000,- DM selbst.

Der Antragsgegner in wird für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt Behrend in Gladbeck zu den Bedingungen eines in Hamm zugelassenen Rechtsanwalts Prozeßkostenhilfe bewilligt. Die Entscheidung über zu zahlende Raten wird dem Amtsgericht übertragen.

 

Gründe

I.

Die Parteien sind nicht miteinander verheiratet. Sie sind die Eltern des Kindes ... (geb. am 24.10.1995). Im vorliegenden Verfahren, in dem es - nach Abtrennung eines anderen Verfahrensteils - nur um das Umgangsrecht des Antragstellers geht, hat der Antragsteller beantragt, der Antragsgegnerin zur Durchführung einer Behandlung der gemeinsamen Tochter gegen Läusebefall die elterliche Sorge zu entziehen. Das Amtsgericht hat die Parteien gehört und ein Gutachten des Sachverständigen ... eingeholt. Dieser hat bei einer ärztlichen Untersuchung des Kindes am 17.11.2000 "einige wenige vertrocknete Nissen" im Haar des Kindes festgestellt. Er hat aber keine Infektionität festgestellt. Zu einer Untersuchung der Antragsgegnerin ist es nicht gekommen. Der Sachverständige hat ferner ausgeführt, daß ein Läusebefall bei ... durch ihr außerordentlich langes Haar begünstigt werde.

Das Amtsgericht hat der Antragsgegnerin durch den angefochtenen Beschluß die elterliche Sorge für den Bereich der Gesundheitsfürsorge entzogen und dieses Recht dem Jugendamt ... übertragen.

Dagegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der Beschwerde.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Die Voraussetzungen für einen auch nur teilweisen Entzug der elterlichen Sorge nach § 1666 BGB liegen nicht vor.

Daß allein ein - auch mehrfacher - Läusebefall eines Kindes nicht den - teilweisen - Entzug der elterlichen Sorge rechtfertigt, bedarf keiner näheren Begründung. Gerade bei Kindern, die einen Kindergarten oder eine Grundschule besuchen, kann es häufiger zu einem Läusebefall kommen. Das gilt im übrigen auch, dann, wenn das Kind, was das Amtsgericht offenbar verkennt, kurze Haare trägt. Selbst gegen die Übertragung von Krankheiten, etwa eine Erkältung oder eine Grippe, kann man ein Kind nicht umfassend schützen. Das müßte jedem, der ein Kind betreut hat oder betraut, bekannt sein.

Nach dem Gutachten des Sachverständigen kann nicht davon ausgegangen werden, daß es bei ... wegen des Läusebefalls in der Vergangenheit zu Krankheiten gekommen ist oder solche Krankheiten zu befürchten sind. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die vom Amtsgericht befürwortete Kürzung des überlangen Kopfhaares, die immerhin zu einer erheblichen Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts führen würde (Art. 2 I GG) notwendig und angemessen wäre, um einer Gesundheitsgefahr wirksam zu begegnen.

Besteht bereits bei der Frage, ob der sorgeberechtigte Elternteil zu einer bestimmten ärztlichen Behandlung des Kindes verpflichtet ist (vgl. etwa BGH NJW 2000, 1784 - Impfungen eines Kindes) oder ob von den Eltern sogar ein bestimmtes eigenes Verhalten zum Schutz der Gesundheit des Kindes verlangt werden kann (BayObLG. FamRZ 1993, 1350 - Rauchverbot für die Eltern eines Kindes) eine nur sehr eingeschränkte Eingriffsmöglichkeit durch die staatliche Gewalt, so ist eine noch größere Zurückhaltung geboten, wenn es um allgemeine hygienische Prinzipien geht, etwa das tägliche Waschen oder Zähne putzen. Daß die Nichteinhaltung dieser Regeln den Entzug der elterlichen Sorge rechtfertigen könnten, ist bisher - soweit für den Senat ersichtlich - noch nicht vertreten worden.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 13 a FGG, 94 KostO.

 

Fundstellen

Haufe-Index 3030365

FamRZ 2002, 691

FamRZ 2002, 691-692

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