Entscheidungsstichwort (Thema)
Entschuldigung, genügende. Verfahrensrüge. Rügeanforderungen
Leitsatz (amtlich)
1. Die formgerechte Begründung der Verfahrensrüge der Verletzung des § 74 Abs. 2 OWiG verlangt, dass der Betroffene die die Entschuldigung begründenden bestimmten Tatsachen so schlüssig vorträgt, dass sich die Verhinderung zum Terminszeitpunkt aufgrund der konkreten Umstände im Einzelnen für das Rechtsbeschwerdegericht erschließt.
2. Hierzu gehört im Krankheitsfall die jedenfalls nach allgemeinem Sprachgebrauch zu benennende Art der Erkrankung, die aktuell bestehende Symptomatik und die Darlegung der daraus zur Terminszeit resultierenden konkreten körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen.
Normenkette
OWiG § 74 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Minden (Entscheidung vom 19.03.2012; Aktenzeichen 15 OWi 34 Js 1958/11) |
Tenor
1.
Die Rechtsbeschwerde wird zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG zugelassen und dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (Entscheidung der mitentscheidenden Einzelrichterin des Senats).
2.
Die Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.
3.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden dem Betroffenen auferlegt.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Minden hat mit dem angefochtenen Urteil vom 19. März 2012 den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid des Kreises N2 vom 4. Mai 2011 (Az.: 00991061#####/####9), durch den gegen ihn wegen einer am 6. März 2011 begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung außerorts um 25 km/h eine Geldbuße von 105,- € festgesetzt worden ist, gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, weil der Betroffene im Termin zur Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben war.
Das angefochtene Urteil führt in den Gründen insoweit Folgendes aus:
"Soweit die Verteidigung mit Fax vom 19.03.2012 vorgetragen hat, der Betroffene sei an der Wahrnehmung des Termins krankheitsbedingt gehindert, fehlt es an einem konkreten Vortrag, welche Krankheit den Betroffenen auf welche Weise am Erscheinen in der Hauptverhandlung hindert. Die eingereichte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 16.03.2012 ergibt nichts anderes. Aus dieser ist nicht ersichtlich, welche Feststellungen der behandelnde Arzt getroffen hat, welche Diagnose er gestellt hat und warum der Betroffene konkret an der Terminswahrnehmung gehindert ist. Eine per Fax gestellte Nachfrage des Gerichtes ist vom behandelnden Arzt bislang nicht beantwortet worden."
Gegen das dem bevollmächtigten Verteidiger am 28. März 2012 zugestellte Urteil hat der Betroffene am selben Tage bei dem Amtsgericht Minden Rechtsbeschwerde eingelegt und deren Zulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung sowie die Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Minden beantragt. Mit demselben Schriftsatz hat der Betroffene sein Rechtsmittel mit der allgemeinen Sachrüge und damit begründet, dass das Amtsgericht den Begriff der genügenden Entschuldigung i.S.d. § 74 Abs. 2 OWiG verkannt habe. Zu Unrecht habe der Tatrichter die am 19. März 2012 von dem Betroffenen an das Gericht übersandte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung der Dres. D pp. in X vom 16. März 2012, nach der er vom 16. März 2012 bis voraussichtlich 20. März 2012 arbeitsunfähig gewesen sei, als nicht ausreichend erachtet. Diese Bescheinigung sei um 09.56 Uhr vor dem auf 12.40 Uhr anberaumten Hauptverhandlungstermin bei dem Amtsgericht Minden eingegangen. Der Verteidiger habe um 12.02 Uhr eine Mitteilung des Gerichts erhalten, nach der der Termin nicht verlegt werde und in der ausgeführt worden sei, dass die eingereichte Bescheinigung lediglich pauschal die Arbeitsunfähigkeit feststelle. Welche ärztlichen Feststellungen dieser Bescheinigung zugrunde lägen, lasse sich daraus nicht ersehen. Eine Verhandlungsunfähigkeit des Betroffenen sei daher nicht feststellbar.
Soweit das Amtsgericht in den Urteilsgründen aus dem Fehlen der Angabe einer Diagnose in der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und der Nichtbeantwortung der im Folgenden gestellten Nachfragen an den behandelnden Arzt bis zur Entscheidung geschlussfolgert habe, dass keine genügenden Hinweise auf das Vorliegen eines Entschuldigungsgrundes bestünden, sei dies rechtsfehlerhaft. Soweit bestehende Zweifel über das tatsächliche Vorliegen eines Entschuldigungsgrundes im Freibeweisverfahren nicht geklärt werden könnten, dürfe der Einspruch nicht verworfen werden.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen. Ein Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liege aufgrund der obergerichtlich geklärten Rechtsfragen zu den Voraussetzungen des § 74 II OWiG nicht vor.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 80 Abs. 1 S. 1, 2. Alt. OWiG zuzulassen, weil dies zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung im Hinblick auf die an die Verfahrensrüge gemäß § 74 Abs. 2 OWiG von der Rechtsprechung teilweise uneinheitlich gestellten Anforderungen geboten ist, die sonst zu schwer erträglichen Unterschied...