Leitsatz (amtlich)

Setzt sich das Gericht in einem Verweisungsbeschluss über die grundlegende Zuständigkeitsvorschrift hinweg, dass die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts auch bei Veränderung der sie begründenden Umstände erhalten bleibt ("perpetuatio fori"), ist der Beschluss für das als zuständig bezeichnete Gericht wegen offensichtlicher Gesetzeswidrigkeit nicht bindend.

 

Normenkette

FamFG § 2 Abs. 2; Zpo § 261 Abs. 3 Nr. 2

 

Verfahrensgang

AG Wolfenbüttel (Aktenzeichen 15 F 3011/12)

 

Tenor

Örtlich zuständig ist das AG - Familiengericht - Essen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten, die deutsche Staatsbürger sind und in Deutschland die Ehe geschlossen haben, haben 12 Jahre in den USA gelebt. Dort wurde ihre Ehe mittlerweile geschieden. Das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anerkennung der diesbezüglichen Entscheidung des Superior Court von Kalifornien in Los Angeles vom 3.8.2010 wurde unter dem 19.7.2011 gem. § 107 FamFG seitens der Präsidentin des OLG Düsseldorf festgestellt. Bereits unter dem 9.6.2009, gerichtlich durch den Superior Court genehmigt unter dem 11.6.2009, hatten die Beteiligten eine Scheidungsfolgenvereinbarung getroffen, in welcher sich der Antragsteller u.a. verpflichtet hat, an die Antragsgegnerin monatlichen Kindesunterhalt für die drei gemeinsamen Kinder i.H.v. insgesamt 4.754 USD und monatlichen Ehegattenunterhalt i.H.v. 3.900 USD zu zahlen.

Mit seinem Antrag vom 12.9.2011, Eingang beim AG Essen am 15.9.2011, hat der Antragsteller die Antragsgegnerin auf Abänderung des Titels dahingehend in Anspruch genommen, dass ab März 2011 kein nachehelicher Unterhalt mehr und Kindesunterhalt nur noch i.H.v. jeweils 160 % des Mindestunterhalts nach der Düsseldorfer Tabelle geschuldet werde. Beide Beteiligte hatten zum damaligen Zeitpunkt ihren Wohnsitz in Essen. Mit Schriftsatz vom 26.10.2011, Eingang bei Gericht am selben Tag, stellte die Antragsgegnerin u.a. die Anträge, die o.g. Scheidungsfolgenvereinbarung hinsichtlich des Ehegattenunterhalts und des Kindesunterhalts gem. § 110 Abs. 2 FamFG für vollstreckbar zu erklären sowie die Scheidungsfolgenvereinbarung des Urteils des Superior Courts in Los Angeles vom 18.5.2010 anzuerkennen. Der Antragsteller ist sodann in den Bezirk des AG Wolfenbüttel verzogen.

Im Termin beim AG Essen am 10.1.2012 hat der Antragsteller seine Anträge zurückgenommen. Hinsichtlich der noch verbleibenden Anträge der Antragsgegnerin aus dem Schriftsatz vom 26.10.2011 beantragten beide Beteiligte sodann die Verweisung des Verfahrens an das AG Wolfenbüttel, da der Antragsteller dort seinen Wohnsitz habe. Durch noch im Termin verkündeten und nicht näher begründeten Beschluss hat sich das AG Essen daraufhin für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das AG Wolfenbüttel verwiesen.

Durch Beschluss vom 21.3.2012 hat sich das AG Wolfenbüttel - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - ebenfalls für unzuständig erklärt. Es hat u.a. ausgeführt, es gelte der Grundsatz der "Perpetuatio Fori", wonach die Zuständigkeit des Gerichts durch eine Veränderung der sie begründenden Umstände nicht berührt wird. Der Verweisungsbeschluss sei grob rechtsfehlerhaft und objektiv willkürlich, weshalb er nicht bindend sei.

Nach Ablehnung der erneuten Übernahme des Verfahrens durch das AG Essen hat das AG Wolfenbüttel durch Beschluss vom 30.3.2012 das Verfahren dem OLG zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

II.1. Der Senat ist nach § 5 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 FamFG zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichtes berufen. Die beiden genannten AG, von denen eines für das Verfahren zuständig ist, haben sich jeweils rechtskräftig für örtlich unzuständig erklärt. Das zuerst mit der Sache befasste AG Essen gehört zum Bezirk des OLG Hamm.

2. Örtlich zuständig für das Verfahren ist das AG - Familiengericht - Essen.

a) Unzweifelhaft war das AG Essen für die ursprünglich gestellten Anträge des Antragstellers zuständig.

Die Anträge der Antragsgegnerin vom 26.10.2011 sind vor dem Umzug des Antragsgegners in den Bezirk des AG Wolfenbüttel bei Gericht eingegangen. Unabhängig von der Frage, ob es wegen eines Zusammenhangs mit den Anträgen des Antragstellers gerechtfertigt war, die Anträge der Antragsgegnerin mit denjenigen des Antragstellers in einem Verfahren gemeinsam zu verhandeln, bestand eine Zuständigkeit des AG Essen auch für diese Anträge.

Für die Anträge auf Vollstreckbarkeitserklärung folgt dies aus § 110 Abs. 3 S. 1 FamFG, denn zum Zeitpunkt der Antragsstellung hatte der Antragsteller seinen allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des AG Essen, wo sein Wohnsitz i.S.v. § 13 ZPO war. Dieser wurde nicht dadurch aufgehoben, dass sich der Antragsteller vorübergehend an anderen Orten wie etwa Düsseldorf aufhielt (vgl. Schriftsatz des Antragstellers vom 7.12.2011). Eine Aufhebung erfolgte erst mit dem auf Dauer angelegten Umzug nach Cremlingen (vgl. hierzu Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl., § 13 ZPO Rz. 5 f. m.w.N.). Dieser erfolgte nach Eingang der Anträge der Antragsgegnerin bei Gericht als maßgeblichem Zeitpunk...

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