Leitsatz (amtlich)

1. Ist ein Sachverständiger geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH, ist er als Privatgutachter anzusehen, wenn unter dem Firmennamen der GmbH ein Privatgutachten erstellt wird, das keinen anderen Sachverständigen als den für seinen Inhalt verantwortlichen Verfasser erkennen lässt.

2. Ist ein Privatgutachter der Sohn des geschäftsführenden Gesellschafters eines von Seiten des Gerichts als GbR beauftragten Sachverständigenbüros und war oder ist er als angestellter Sachverständiger für das Sachverständigenbüro tätig, kann das die Besorgnis der Befangenheit anderer in dem Sachverständigenbüro tätiger Sachverständiger begründen. Zweifel an der Unparteilichkeit der in dem Sachverständigenbüro tätigen Sachverständigen können insbesondere dann gerechtfertigt sein, wenn die für das Büro handelnden Gesellschafter den Sachverständigen bestimmen, der den Gutachterauftrag bearbeitet, ohne den Parteien zuvor die geschäftlichen Verbindungen zwischen dem Privatgutachter und dem gerichtlich beauftragten Sachverständigenbüro zu offenbaren.

 

Normenkette

ZPO §§ 42, 406

 

Verfahrensgang

LG (Beschluss vom 21.01.2014)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 16. Zivilkammer des LG N vom 21.1.2014 aufgehoben.

Das Ablehnungsgesuch der Beklagten vom 16.10.2013 gegen die für das Sachverständigenbüro X tätigen Sachverständigen Dr. C und Diplom Ing. Y ist begründet.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.749 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die gemäß den §§ 406 Abs. 5, 567 ff. ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

1. Das Ablehnungsgesuch der Beklagten erfasst die für das Sachverständigenbüro X GbR im vorliegenden Rechtsstreit tätig gewordenen Sachverständigen Dr. C und Diplom Ing. Y. Aufgrund der für das Gesuch gewählten Formulierung, das "Sachverständigenbüro X GbR bzw. die im vorliegenden Fall tätigen Sachverständigen Dr. C und Dipl.-Ing. Y wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen", ist es in diesem Sinne auszulegen.

2. Das Ablehnungsgesuch ist nicht verfristet.

Es ist zwar nicht innerhalb der gem. § 406 Abs. 2 S. 1 ZPO vorgesehenen Frist von 2 Wochen nach Zustellung des Beschlusses über die Ernennung des Sachverständigen gestellt worden. Zu einem späteren Zeitpunkt ist die Ablehnung gem. § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO aber zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden verhindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Die Ablehnungsgründe sind in diesem Fall nicht binnen einer kalendermäßigen Frist, sondern grundsätzlich unverzüglich (§ 121 Abs. 1 Nr. 1 BGB) nach Kenntnis des Ablehnungsgrundes geltend zu machen. Das bedeutet, dass der Ablehnungsantrag zwar nicht sofort, wohl aber ohne schuldhaftes Zögern, das heißt innerhalb einer den Umständen des Einzelfalls angepassten Prüfungs- und Überlegungsfrist anzubringen ist (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28.2.2013, 32 W 1/13, zit. über Juris Tz. 12; BGH Beschl. v. 15.3.2005 - VI ZB 74/04, zit. über Juris, Tz. 7).

Die Frist des §§ 406 Abs. 2 S. 2 ZPO ist im vorliegenden Fall gewahrt. Die Beklagten begründen ihre Ablehnung mit persönlichen und wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen dem beauftragten Sachverständigenbüro X GbR einerseits sowie Herrn Diplom Ing. T2 als geschäftsführendem Gesellschafter der Firmen G GmbH und Z GmbH andererseits. Von diesen Verbindungen wollen sie erst aufgrund von Recherchen ihres Prozessbevollmächtigten am Tage vor der Einreichung des Ablehnungsgesuchs vom 16.10.2013 erfahren haben. Diese durch eine eidesstattliche Versicherung des Prozessbevollmächtigten gestützte Darstellung ist glaubhaft. Mit ihr ist der Ablehnungsantrag rechtzeitig gestellt worden. Dem steht nicht entgegen, dass Herr Diplom Ing. T2 bereits als Sachverständiger auf dem Briefkopf des beauftragten Sachverständigenbüros aufgeführt war und die Beklagten ein Schreiben mit diesem Briefkopf bereits im Jahre 2012 erhalten hatten. Die damit erkennbare Namensgleichheit eines Sachverständigen aus dem beauftragten Sachverständigenbüro mit dem geschäftsführenden Gesellschafter der bereits vorprozessual von der Klägerseite beauftragten Firma G GmbH gibt zwar Anhaltspunkte für eine mögliche persönliche oder geschäftliche Verbindung. Eine solche muss eine Partei aber nicht von sich aus recherchieren. Sie ist nicht verpflichtet, von sich aus Nachforschungen zur Neutralität eines Sachverständigen anzustellen (Zimmermann in MünchKomm/ZPO, 4. Aufl. 2012, § 406 ZPO Rz. 7). Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen ein beauftragter Sachverständiger von sich aus unschwer über eine mögliche persönliche oder geschäftliche Verbindung mit einem vorprozessual als Privatgutachter tätigen Sachverständigen hätte aufklären können, so wie es das beauftragte Sachverständigenbüro dann - allerdings erst nach dem Ablehnungsgesuch - in seiner Stellungnahme vom 25.10.2013 getan hat. Unterbleiben der naheliegende Hinweis des beauftragten Sachverständigen und auch eine mögliche gerichtliche Prüfung von...

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