Entscheidungsstichwort (Thema)
Kfz-Vollkasko: Zerkratzen als "Unfall"
Leitsatz (amtlich)
Nach den üblichen Bedingungen der Kfz-Vollkaskoversicherung (AKB) ist das Zerkratzen des Kfz ein versicherter "Unfall", und zwar auch dann, wenn das Kfz durch eine Vielzahl von Kratzern beschädigt worden ist, was einige Minuten gedauert haben muss. Gleichwohl handelt es sich um ein "plötzliches" Ereignis.
Verfahrensgang
LG Essen (Aktenzeichen 18 O 156/19) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 S. 1 ZPO zurückzuweisen.
Es wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen Stellung zu nehmen.
Gründe
I. Der Senat ist einstimmig davon überzeugt, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung auf Grund mündlicher Verhandlung erfordern und eine mündliche Verhandlung auch sonst nicht geboten ist.
Das Landgericht hat der Klage zu Recht in Höhe von 13.052,85 EUR nebst Zinsen stattgegeben. Die Berufungsangriffe der Beklagten aus der Berufungsbegründung vom 06.04.2020 (Bl. 26 ff. der elektronischen Gerichts zweiter Instanz) greifen nicht durch.
1. Es ist ein bedingungsgemäßer Versicherungsfall eingetreten.
a) Aufgrund des zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrages, der unstreitig eine Vollkaskoversicherung umfasst, besteht gemäß A.2.2.2.2 AKB Versicherungsschutz bei Schäden am Fahrzeug durch einen Unfall.
Zutreffend hat das Landgericht angenommen, dass ein solcher Unfallschaden - und nicht etwa nur eine mut- oder böswillige Handlung im Sinne von A.2.2.2.3 AKB - auch geltend gemacht wird, wenn der Versicherungsnehmer eine Zerkratzung des Fahrzeuglacks durch einen Dritten behauptet (BGH, Urteil vom 25.06.1997 - IV ZR 245/96, VersR 1997, 1095, juris Rn. 10; OLG Karlsruhe, Urteil vom 24.06.2015 - 12 U 421/14, r+s 2015, 599). Denn gemäß A.2.2.2.2 liegt ein Unfall vor bei einem unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkenden Ereignis, wozu auch äußere Einwirkungen auf den Lack des Fahrzeugs gehören.
Der Argumentation in der Berufungsbegründung, es fehle an dem Merkmal der "Plötzlichkeit", wenn der Täter das Fahrzeug nicht nur flüchtig zerkratzt, sondern über einen gewissen Zeitraum eine Vielzahl von Kratzern herbeiführt, vermag der Senat nicht zu folgen. Das Tatbestandsmerkmal der "Plötzlichkeit" kann nicht in dem Sinne ausgelegt werden, dass es sich um ein besonders schnell ablaufendes Ereignis handeln muss (vgl. Senat, Urteil vom 26.06.1992 - 20 U 383/91, VersR 1992, 1506 für allmählich in ein Fahrzeug eindringendes Wasser; siehe auch schon BGH, Urteil vom 06.02.1954 - II ZR 65/53, NJW 1954, 596 unter 2.d und entsprechend zum Unfallbegriff in den AUB BGH, Urteil vom 16.10.2013 - IV ZR 390/12, VersR 2014, 59, juris Rn. 38 m.w.N.). Das Zerkratzen des Fahrzeuglacks durch einen Dritten tritt deshalb auch dann "plötzlich" im Sinne von A.2.2.2.2 AKB ein, wenn sich das objektive Geschehen über einige Minuten erstreckt haben mag.
b) Es bestehen keine Zweifel im Sinne von § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an der Richtigkeit und Vollständigkeit der vom Landgericht festgestellten Tatsachen und an der darauf vom Landgericht gestützten Bewertung, die Klägerin habe den Eintritt eines bedingungsgemäßen Versicherungsfalls bewiesen. Vielmehr ist auch der Senat davon überzeugt, dass die Klägerin durch die Aussage der Zeugin D den ihr obliegenden (vgl. BGH, Urteil vom 05.02.1981 - IVa ZR 58/80, VersR 1981, 450) Nachweis erbracht hat, dass das Fahrzeug am 11.08.2018 in unbeschädigtem Zustand abgestellt und bei der Rückkehr zum Fahrzeug erstmals mit den Lackschäden aufgefunden wurde.
c) Auf die in der Berufungsbegründung angestellten Erwägungen dazu, ob es sich um eine "böswillige" Beschädigung im Sinne der AKB handelte, kommt es angesichts des Vorstehenden nicht an, da wie dargelegt ein bedingungsgemäßer Unfall eingetreten ist.
2. Die Beklagte hat nicht den Nachweis erbracht, dass der Versicherungsfall von der Klägerin - oder ihr zurechenbar von einem Dritten - vorsätzlich im Sinne von § 81 Abs. 1 VVG herbeigeführt wurde.
a) Die Unfreiwilligkeit gehört nicht zum Begriff des Unfalls in der Kaskoversicherung; vielmehr hat der Versicherer den entsprechenden Vorsatz des Versicherungsnehmers als Voraussetzung einer Leistungsfreiheit gemäß § 81 VVG darzulegen und zu beweisen (BGH, Urteil vom 05.02.1981 - IVa ZR 58/80, VersR 1981, 450; OLG Naumburg, Urteil vom 07.02.2013 - 4 U 16/12, r+s 2014, 8, juris Rn. 33 f.). Auch davon ist das Landgericht zutreffend ausgegangen.
b) Es steht nicht fest, dass der Geschäftsführer der Klägerin oder auf seine Veranlassung hin ein Dritter den Schaden vorsätzlich herbeigeführt hat.
In der Berufungsbegründung trägt die Beklagte zum Einen vor, das Schadenbild sei atypisch für eine mutwillige Beschädigung durch einen Dritten. Es sei unstimmig, dass ein Täter eine Beschädigung herbeiführe, die optisch kau...