Leitsatz (amtlich)
1. § 9 Abs. 5 StVO ist auf Parkplätzen ohne eindeutigen Straßencharakter auch dann nicht unmittelbar anwendbar, wenn - wie hier - nicht beide unfallbeteiligten Pkw rückwärtsfahrend miteinander kollidieren (im Anschluss an BGH Urt. v. 26.1.2016 - VI ZR 179/15, r+s 2016, 149 Rn. 11; in Abgrenzung zum Parktaschenunfall OLG Düsseldorf Urt. v. 10.5.2011 - 1 U 149/10, BeckRS 2012, 2371).
2. In sog. Parkplatzfällen ist jedoch die Wertung des § 9 Abs. 5 StVO im Rahmen der Pflichtenkonkretisierung des § 1 Abs. 2 StVO zu berücksichtigen (im Anschluss an BGH Urt. v. 26.1.2016 - VI ZR 179/15, r+s 2016, 149 Rn. 11).
3. Ein Anscheinsbeweis zu Lasten des Rückwärtsfahrenden kommt dabei jedoch regelmäßig - so auch hier - nur dann in Betracht, wenn feststeht, dass der Rückwärtsfahrende zum Kollisionszeitpunkt noch in Bewegung war (im Anschluss an BGH Urt. v. 11.10.2016 - VI ZR 66/16, r+s 2017, 93 Rn. 9).
4. Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls kann Ersatz der Umsatzsteuer (§ 249 Abs. 2 Satz 2 BGB) nach den Grundsätzen des Vorteilsausgleichs nicht verlangen, wenn er vorsteuerabzugsberechtigt ist (im Anschluss an BGH Urt. v. 18.3.2014 - VI ZR 10/13, VersR 2014, 849 Rn. 17).
5. Bei einem gewerblich genutzten Fahrzeug kann die Nutzungsentschädigung nicht pauschal, sondern nur konkret geltend gemacht werden (im Anschluss an BGH Urt. v. 6.12.2018 - VII ZR 285/17, BGHZ 220, 270 Rn. 30 f.).
6. Werden Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall gegenüber einem Haftpflichtversicherer geltend gemacht, so ist diesem in durchschnittlichen Angelegenheiten regelmäßig eine Prüfungsfrist von 4 bis 6 Wochen einzuräumen, die mit dem Zugang eines spezifizierten Anspruchsschreibens beginnt (im Anschluss an z. B. OLG Saarbrücken Beschl. v. 25.9.2017 - 4 W 18/17, VersR 2018, 696 = juris Rn. 19).
Verfahrensgang
LG Siegen (Aktenzeichen 1 O 299/18) |
Tenor
Der Senat weist die Klägerin darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie nach dem Vorbringen in der Berufungsbegründung aus den im Ergebnis zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung keine Aussicht auf Erfolg hat. Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung ist zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich.
Der Klägerin wird Gelegenheit gegeben, binnen drei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses zu den Hinweisen Stellung zu nehmen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, der am ....2018 auf einem Supermarktparkplatz an der B-Straße 1 in C stattfand.
Die unter T firmierende Klägerin befuhr mit dem Pkw G, deren Halter T ist, die Fahrgasse des Parkplatzes des Supermarktplatzes (vgl. zur Unfallörtlichkeit die Bilder 1 und 2 des Gutachtens Dipl. Ing. U, Bl. 127 GA). Als die Klägerin ein auf der rechten Seite abgestelltes Fahrzeug umfuhr, kam es zu einem Zusammenstoß mit dem Pkw X des Beklagten zu 1, der bei der Beklagten zu 2 haftpflichtversichert ist. Der Beklagte zu 1 fuhr aus Sicht der Klägerin von links aus einer im 90-Grad-Winkel zur Fahrgasse angeordneten Parkbucht heraus. Die weiteren Einzelheiten des Unfalls sind zwischen den Parteien streitig.
Die Klägerin berechnet den ihr entstandenen Schaden wie folgt:
Reparaturkosten aus Gutachtenbasis netto 5.135,13 EUR
Wertminderung 300,00 EUR
Sachverständigenhonorar (brutto) 780,64 EUR
Nutzungsausfallentschädigung acht Tage à 29,00 EUR 232,00 EUR
Kostenpauschale 25,00 EUR
Summe 6.472,77 EUR
Die Klägerin ließ den bei dem Unfall entstandenen Schaden an ihrem Fahrzeug bei der Fa. M reparieren. Nach Ausgleich der Rechnung hat die Firma M die ihr zuvor abgetretenen Ansprüche der Klägerin am 14.02.2019 zurückabgetreten (Bl. 95 GA). Auch der Sachverständige hat die ihm von der Klägerin abgetretenen Ansprüche der Klägerin nach Ausgleich der Rechnung am 14.02.2019 zurückabgetreten (Bl. 94 GA).
Unter dem 26.06.2018 forderten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Beklagte zu 2 zur Schadensregulierung auf (vgl. E-Mail, Bl. 26 f. d. A.). Das vollständige Sachverständigengutachten inkl. der Lichtbilder und den Nachweis ihrer Bevollmächtigung übersandten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin erst mit Schreiben vom 13.07.2018.
Die Klägerin behauptet, der Beklagte zu 1 habe seinen PKW rückwärts bewegt, als es zum Zusammenstoß gekommen sei. Sie habe sich zu diesem Zeitpunkt bereits hinter dessen Fahrzeug befunden. Sie ist der Ansicht gewesen, der Unfall sei für sie unvermeidbar gewesen. Der Beklagte habe gegen § 9 Abs. 5 StVO verstoßen. Dies zeige sich insbesondere durch die seitliche Anstoßposition am Pkw der Klägerin. Ferner habe die Beklagte zu 2 Anlass zur Klage gegeben; eine angemessene Prüffrist sei vor Klageerhebung abgelaufen.
Die Klägerin hat zunächst beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 6.472,77 Euro nebst Zinsen zu zahlen und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, sie von vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten i...