Verfahrensgang

LG Hagen (Beschluss vom 25.09.2012; Aktenzeichen 6 O 107/11)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Beschluss des LG Hagen vom 25.9.2012 wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt den Beklagten im Wege der Stufenklage auf Auskunft und Bewirkung der Teillöschung einer Grundschuld in Anspruch. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands nimmt der Senat Bezug auf die Ausführungen in dem Beschluss des LG vom 20.10.2011 (Bl. 445 - 450 GA). Mit diesem Beschluss hat das LG das Verfahren gem. Art. 27 Abs. 1 EuGVVO ausgesetzt bis die Zuständigkeit des Tribunale di Milano in dem Rechtsstreit R. G. 6996/11 des Beklagten gegen die Klägerin feststeht. Zur Begründung, auf die wegen der Einzelheiten verwiesen wird, hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagte habe bereits vor Rechtshängigkeit des vorliegenden Verfahrens gegen die Klägerin eine negative Feststellungsklage vor dem Tribunale di Milano erhoben. Die Voraussetzungen des Art. 27 Abs. 1 EuGVVO lägen vor.

Das Tribunale di Milano hat die Klage des Beklagten mit Urteil vom 8.5.2012 (Übersetzung Bl. 468 - 474 GA) abgewiesen und "die fehlende Zuständigkeit der italienischen Gerichtsbehörde erklärt." Ferner hat es den hiesigen Beklagten und dortigen Kläger verurteilt, an die hiesige Klägerin und dortige Beklagte 1.000 EUR zu zahlen. Insoweit hat es zur Begründung u.a. ausgeführt: "Diese Haftung ergeht aus der offensichtlichen Zweckmäßigkeit der Klage gegen Q GmbH, die nur dazu diente, die italienische Gerichtsbarkeit zu beanspruchen, um somit die europäischen Gerichtsbarkeitsbestimmungen zu umgehen, welche den Sinn haben, den für den Rechtsstreit zuständigen, gesetzlich vorgesehenen Richter anzugeben. In diesem Verhalten ist nicht nur ein abweichender Gebrauch der Prozessmittel, sondern ein regelrechter Missbrauch derselben ersichtlich, was wiederum ein Verhalten im Gegensatz zum Grundsatz von Treu und Glauben im Prozess darstellt." Das Urteil des Tribunale di Milano ist nicht rechtskräftig, der hiesige Beklagte hat dagegen Berufung eingelegt.

Mit Beschluss vom 25.9.2012 (Bl. 552 - 554 GA) hat das LG Hagen seinen Aussetzungsbeschluss vom 20.10.2011 aufgehoben und die Fortsetzung des Verfahrens beschlossen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen einer Aussetzung nach Art. 27 Abs. 1 EuGVVO lägen nicht mehr vor. Die in Deutschland und Italien anhängigen Verfahren beträfen nicht "denselben Anspruch" i.S.v. Art. 27 Abs. 1 EuGVVO und seien auch nicht zwischen "denselben Parteien" anhängig. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den angefochtenen Beschluss verwiesen, der dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten am 10.10.2012 zugestellt worden ist.

Mit der dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde, die am 24.10.2012 bei dem OLG eingegangen ist, begehrt der Beklagte die Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses vom 25.9.2012 und die Aussetzung des Verfahrens nach Art. 27 Abs. 1 EuGVVO i.V.m. § 148 ZPO. Zur Begründung führt er aus, die Voraussetzungen einer Aussetzung nach Art. 27 Abs. 1 EuGVVO lägen vor. Dem später erkennenden Gericht sei verwehrt zu prüfen, ob das zuerst angerufene Gericht zuständig ist. Dies gelte auch im Hinblick auf die Frage, ob die Anrufung des Erstgerichts rechtsmissbräuchlich erfolgt ist.

Die Klägerin verteidigt die landgerichtliche Entscheidung.

Das LG hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 22.1.2013 (Bl. 639 GA) nicht abgeholfen.

II.1. Die sofortige Beschwerde ist gem. § 252 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.

2. In der Sache ist die Beschwerde nicht begründet. Das LG hat den Aussetzungsbeschluss zu Recht aufgehoben. Die Voraussetzungen einer Aussetzung nach Art. 27 Abs. 1 EuGVVO i.V.m. § 148 ZPO liegen nicht vor.

Die in Deutschland und Italien anhängigen Verfahren betreffen nicht "denselben Anspruch" i.S.v. Art. 27 Abs. 1 EuGVVO. Der Senat teilt die Ansicht des OLG Hamburg in dessen Beschluss vom 8.8.2012 (Az. 13 W 33/12, Kopie Bl. 530 - 538 GA), wonach bei der autonomen Auslegung der EuGVVO eine wertende Betrachtung geboten ist, die dem Zweck des Art. 27 Abs. 1 EuGVVO Rechnung trägt.

Bei der vertragsautonomen Auslegung des Begriffs "desselben Anspruchs" ist zu berücksichtigen, dass Art. 27 EuGVVO einen grenzüberschreitenden Bezug des Sachverhalts voraussetzt (vgl. Wagner in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., Art. 27 EuGVVO, Rz. 11). Insoweit kann es, so das OLG Hamburg zutreffend, nicht genügen, dass - wie hier - ein grenzüberschreitender Bezug durch die Klage gegen einen bislang nicht beteiligten Dritten nur konstruiert wird, um formell einen Anknüpfungspunkt dafür zu schaffen, eine rein innerstaatliche Rechtsfrage einem ohne diese willkürliche Konstruktion nicht zugänglichen ausländischen Forum unterbreiten zu können. Hätte es die Partei eines rein innerstaatlichen Rechtsverhältnisses ohne jeden materiell internationalen Bezug in der Hand, auf diesem Wege die Rechtsfolgen des Art. 27 EuGVVO auszulösen, so stünde dies im k...

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