Verfahrensgang

LG Münster (Aktenzeichen 10 O 54/20)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 13.11.2020 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Münster - 010 O 54/20 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 21.428,81 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.04.2020 zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des Fahrzeugs Auto A, Fahrzeugidentifikationsnummer ....

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin 17 % und die Beklagte 83 %. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 66 %und die Beklagte 34 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1, 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO abgesehen.

II. Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts ist teilweise begründet. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Zahlung weiterer 1.700,01 EUR - insgesamt 21.428,81 EUR - nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.05.2020, Zug um Zug gegen Rückgabe und Rückübereignung des im Tenor näher bezeichneten Fahrzeugs Auto A, zu. Die weitergehende Berufung bleibt ohne Erfolg.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 21.428,81 EUR gem. § 852 Satz 1 BGB. Nach dieser Vorschrift ist der Ersatzpflichtige auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet, wenn er durch eine unerlaubte Handlung auf Kosten des Verletzten etwas erlangt hat. Danach kann die Klägerin die Zahlung des eingangs genannten Betrags von der Beklagten verlangen.

Die Vorschrift ist in den Fällen des Erwerbs eines vom sog. Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs ohne Weiteres anwendbar, auch wenn der Schaden lediglich in dem Eingehen einer so nicht gewollten Verbindlichkeit besteht (grds. BGH, Urteil vom 17. 12.2020 - VI ZR 739/20 -, Rn. 29, juris; wie hier auch OLG Oldenburg, Urteil vom 02.03.2021 - 12 U 161/20 - Rn. 35, beck online, Revision zugelassen, insoweit nach den dortigen Ausführungen entgegen OLG Oldenburg, Beschluss vom 05.01.2021 - 2 U 168/20; keine teleologische Reduktion wegen der Möglichkeit des Anschlusses an die Musterklage: OLG Koblenz, Urteil vom 31.03.2021 - 7 U 1602/20 - Rn. 46 ff., juris).

a) Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 21.428,81 EUR gem. § 826 BGB i.V.m. § 31 BGB analog zu. Die Beklagte hat dem inzwischen verstorbenen Ehemann der Klägerin als Erwerber des Fahrzeugs Auto A in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich einen Schaden zugefügt. Die Klägerin ist als Erbin ihres Ehemanns gem. § 1922 Abs. 1 BGB aktivlegitimiert.

Die Beklagte stellte das Fahrzeug Auto A einschließlich des darin verbauten Motors EA 189, der unstreitig mit einer Umschaltlogik ausgestattet ist, her und brachte das Fahrzeug in den Verkehr. Das Inverkehrbringen des so ausgestatteten Fahrzeugs steht einer konkludenten Täuschung gleich (vgl. BGH, Urt. v. 25.05.2020 - VI ZR 252/19 Rn. 25 - zit. n. juris). Denn mit dem Inverkehrbringen eines Fahrzeugs gibt ein Hersteller konkludent die Erklärung ab, dass der Einsatz des Fahrzeugs entsprechend seinem Verwendungszweck im Straßenverkehr uneingeschränkt zulässig ist (vgl. OLG Koblenz, Urteil vom 16.12.2019 - 12 U 696/19; OLG Karlsruhe, Urteil vom 06.11.2019 - 13 U 37/19; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 25.09.2019 - 17 U 45/19). Dies war vorliegend nicht der Fall, weil die verwendete Umschaltlogik in der Motorsteuerungssoftware als verbotene Abschalteinrichtung zu qualifizieren und damit ein ungestörter Betrieb des klägerischen Fahrzeugs mangels uneingeschränkter Betriebserlaubnis nicht gewährleistet ist.

aa) Die von der Beklagten in dem Fahrzeug Auto A verbaute Motorsteuerungssoftware stellt eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 S. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typengenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (ABl. L 171/1 vom 29. Juni 2007; nachfolgend VO (EG) 715/2007) dar. Nach dieser Vorschrift, die gem. Art. 2 Abs. 1, Art. 10 VO 715/2007/EG auch das klägerische Fahrzeug betrifft, ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, unzulässig, sofern nicht einer der in Art. 5 Abs. S. 2 VO (EG) 715/2007 normierten Ausnahmetatbestände eingreift.

(1) Die verwendete Software zur Motorensteuerung ist als Abschalteinrichtung zu qualifizieren. Nach der Legaldefinition des Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 71...

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