Verfahrensgang
LG Paderborn (Aktenzeichen 4 O 178/21) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 26.01.2022 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Paderborn teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1) Es wird festgestellt, dass die Erhöhung des Monatsbeitrags in der zwischen dem Kläger und der Beklagten bestehenden Kranken-/Pflegeversicherung mit der Vers.Nr. N01 im Tarif EB um 13,81 EUR zum 01.01.2015 bis zum 30.09.2021 nicht wirksam geworden ist und der Kläger bis zum 30.09.2021 nicht zur Tragung des Erhöhungsbetrages verpflichtet war.
2) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 593,83 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.08.2021 zu zahlen.
3) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger zu 96 % und die Beklagte zu 4 %, diejenigen der Berufungsinstanz tragen der Kläger zu 79 % und die Beklagte zu 21 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Der Kläger (im Folgenden abgekürzt für Versicherungsnehmer: d. VN) hat bei dem beklagten Versicherer (im Folgenden: d. Versicherer) eine Krankheitskostenversicherung genommen. D. VN wendet sich gegen Beitragsanpassungen.
Gegenstand des Berufungsverfahrens sind folgende Anpassungen, wobei Auslöser der Anpassung im Tarif EB die Sterbewahrscheinlichkeiten und bei den übrigen Anpassungen die Versicherungsleistungen waren:
Datum |
Tarif |
Betrag |
Landgericht |
01.01.2010 |
VC3P |
63,27 EUR |
formell unwirksam bis zum 31.12.2018 |
01.01.2010 |
GZN10 (gesetzlicher Zuschlag) |
6,29 EUR |
formell unwirksam bis zum 31.12.2018 |
01.01.2011 |
VC3P |
37,44 EUR |
formell unwirksam bis zum 31.12.2018 |
01.01.2011 |
GZN10 (gesetzlicher Zuschlag) |
3,70 EUR |
formell unwirksam bis zum 31.12.2018 |
01.01.2012 |
VC3P |
36,32 EUR |
formell unwirksam bis zum 31.12.2018 |
01.01.2012 |
GZN10 (gesetzlicher Zuschlag) |
3,64 e |
formell unwirksam bis zum 31.12.2018 |
01.01.2015 |
EB |
13,81 EUR |
formell unwirksam bis zum 30.09.2021 |
01.01.2016 |
VC3P |
36,68 EUR |
formell wirksam, materiell unwirksam |
01.01.2016 |
GZN10 (gesetzlicher Zuschlag) |
3,66 EUR |
formell wirksam, materiell unwirksam bis zum 31.12.2018 |
Zum 01.01.2019 und 01.01.2021 erfolgten im Tarif VC3P und GZN10 weitere unangegriffene Beitragsanpassungen, deren Wirksamkeit auch d. VN nicht in Frage stellt (Bl. 201 f. eGA-I); er geht selbst von wirksamen Anpassungen aus und hat sein Zahlungsbegehren an der Wirksamkeit der unangegriffenen Folgeanpassungen zum 01.01.2019 ausgerichtet.
Das Landgericht hat unter Abweisung der Klage im Übrigen die Unwirksamkeit mehrerer Beitragserhöhungen festgestellt und die Beklagte zur Zahlung von 2.782,39 EUR verurteilt.
Die Beitragsanpassung im Tarif EB zum 01.01.2015 sei formell unwirksam gewesen und zum 30.09.2021 durch die Angaben in der Klageerwiderung geheilt worden.
Der Rückzahlungsanspruch sei in zuerkannter Höhe begründet, da die Beitragsanpassungen im Tarif VC3P und GZN10 (gesetzlicher Zuschlag) jeweils zum 01.01. der Jahre 2010, 2011 und 2012 formell unwirksam und die Anpassung in diesen Tarifen zum 01.01.2016 zwar formell, indes materiell unwirksam gewesen seien. Für die Erhöhung zum 01.01.2016 habe bei einem auslösenden Faktor von weniger als 10 % keine wirksame Rechtsgrundlage zur Verfügung gestanden. Für einen Rückzahlungsanspruch müsse unter Berücksichtigung der eingetreten Verjährung hinsichtlich des Tarifs VC3P und GZN10 der Zeitraum vom 01.01.2018 bis zum 31.12.2018 und hinsichtlich des Tarifs EB der Zeitraum vom 01.01.2018 bis 31.07.2021 berücksichtigt werden. Zum 01.01.2019 habe eine unstreitig wirksame Folgeanpassung im Tarif VC3P und im Tarif GZN10 stattgefunden.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands in erster Instanz, der Anträge, des Tenors und der Begründung des Landgerichts wird auf das Urteil (Bl. 5 ff. der elektronischen Gerichtsakte zweiter Instanz, im Folgenden: eGA-II bzw. eGA-I für die Akte erster Instanz) Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich d. Versicherer mit seiner Berufung.
D. Versicherer macht geltend, dass sämtliche in der Berufungsinstanz in Rede stehenden Beitragsanpassungen formell wirksam gewesen seien. Insbesondere sei bei der Anpassung im Tarif EB zum 01.01.2015 klar und eindeutig formuliert, dass die auslösende Rechnungsgrundlage die Lebenserwartung gewesen sei.
D. Versicherer (Beklagte) beantragt,
das angefochtene Urteil teilweise abzuändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
D. VN (Kläger) beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
D. VN verteidigt das angefochtene Urteil. Er hat mit Schriftsatz vom 27.04.2023 ausdrücklich erklärt, dass er entgegen dem Vorbringen erster Instanz die materielle Wirksamkeit der Beitragsanpassungen nicht mehr bestreite.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in zweiter Instanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Mit Zustimmung beider Parteien hat der Senat das schriftliche Verfahren angeordnet.
II. Die Berufung d. Versicherers ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, was zur Abänderung des angefochtenen ...