Verfahrensgang

LG Bochum (Entscheidung vom 30.06.2008; Aktenzeichen 6 O 415/07)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 30.6.2008 - 6 O 415/07 - abgeändert und die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an den Kläger 491.022,54 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.11.2004 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

(gemäß § 540 Abs. 1 ZPO)

I.

Der Kläger ist aufgrund des Eröffnungsbeschlusses vom 1.5.2004 Insolvenzverwalter über das Vermögen der B2B mbH, die bundesweit sogenannte Personal-Service-Agenturen (PSAen) betrieb.

Der Gesetzgeber führte mit Wirkung zum 1.1.2003 gem. § 37 c SGB III das PSA-Konzept als Maßnahme der Arbeitslosigkeitsbekämpfung ein. Die PSAen sollten vom Arbeitsamt vorgeschlagene Arbeitssuchende als Arbeitnehmer einstellen und gemäß dem AÜG an andere Arbeitgeber verleihen sowie qualifizieren mit dem Ziel, sie in dauerhafte sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse mit Dritten weiter zu vermitteln. Die PSAen sollten für ihre Tätigkeit ein Honorar erhalten, welches aus Fallpauschalen für die Beschäftigung von Arbeitssuchenden und aus Vermittlungsprämien für die erfolgreiche Weitervermittlung bestand. Die Verträge mit den privaten Anbietern von PSAen sollten durch die lokalen Arbeitsagenturen der Beklagten geschlossen werden. Die Beklagte bereitete hierfür einen Mustervertrag vor, für dessen Inhalt auf die Anlage K16 Bezug genommen wird. Ferner erstellte sie ein Informationsblatt "Hinweise für Bieter", dessen Ziff. 6 lautet:

"Für volle Kalendermonate ohne Zahlung von Arbeitsentgelt kann keine Fallpauschale gezahlt werden. Diese Fälle sind dem Arbeitsamt monatlich zu melden".

In den Mustervertrag war diese Regelung jedoch nicht ausdrücklich aufgenommen worden. Nachdem der späteren Insolvenzschuldnerin am 5.2.2003 durch die Beklagte eine zunächst auf ein Jahr befristete Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung erteilt worden war, schloss sie mit der Beklagten bundesweit eine Vielzahl von PSA-Verträgen.

Die Agentur für Arbeit S führte Anfang 2003 ein Vergabeverfahren durch. Dabei benutzte sie den Mustervertrag und händigte der späteren Insolvenzschuldnerin auch die "Hinweise für Bieter" aus. Im Mai 2003 kam es zum Abschluss von fünf gleichlautenden Verträgen, für deren Inhalt auf Bl. 13-21 d. A. Bezug genommen wird.

Ab Oktober 2003 stellte die spätere Insolvenzschuldnerin Arbeitssuchende ein. Am 23.1.2004 verlängerte die Beklagte die nach dem AÜG erforderliche Erlaubnis der Insolvenzschuldnerin um ein Jahr. Ab Januar 2004 zahlte die Insolvenzschuldnerin den Beschäftigten kein Arbeitsentgelt mehr und beantragte am 16.2.2004 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Daraufhin widerrief die Beklagte die Erlaubnis nach dem AÜG, was nach Ziffer 14 der PSA-Verträge deren Beendigung zur Folge hatte. Die Beklagte zahlte den Beschäftigten der Insolvenzschuldnerin Insolvenzgeld nach den §§ 183 ff. SGB III.

Mit Rechnungen vom 4.2.2004 und 3.3.2004 verlangte die Insolvenzschuldnerin von der Beklagten die Zahlung der vertraglichen Fallpauschalen für Januar und Februar 2004 in Höhe von insgesamt 492.071,94 €. Die Beklagte lehnte die Bezahlung mit Schreiben vom 30.11.2004 ab.

Der Kläger hat vor dem Landgericht beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 492.071,94 € nebst einem Zins von 8 Prozentpunkten p.a. über dem Basiszins seit dem 30.11.2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Beklagte könne der Klage die Einrede des nichterfüllten Vertrages gemäß § 320 BGB entgegenhalten, da die Insolvenzschuldnerin den bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern für Januar und Februar 2004 keine Löhne mehr gezahlt habe. Die Zahlung der Arbeitslöhne sei eine im Synallagma stehende Hauptleistungspflicht auch im Verhältnis der Parteien, was sich aus einer ergänzenden Vertragsauslegung unter Berücksichtigung der Vertragsverhandlungen, insbesondere der Überreichung der "Hinweise an Bieter", sowie des Vertragszwecks ergebe.

Dagegen wendet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen in der ersten Instanz gestellten Antrag weiterverfolgt. Er ist der Auffassung, dass die Zahlung der Arbeitslöhne an die Beschäftigten der Insolvenzschuldnerin im Verhältnis der Parteien allenfalls eine Nebenpflicht darstelle. Für die Annahme einer Hauptleistungspflicht gebe der Vertragstext nichts her. A...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge