Verfahrensgang

LG Bielefeld (Urteil vom 20.09.2005; Aktenzeichen 8 O 623/00)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 14.03.2008; Aktenzeichen V ZR 16/07)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 20.9.2005 verkündete Urteil der 8. Zivilkammer des LG Bielefeld abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das am 8.11.1990 verkündete Urteil des 22. Zivilsenats des OLG Hamm (22 U 18/89) wird mit Wirkung vom 29.11.2000 aufgehoben.

Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagten können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Beschwer der Beklagten übersteigt 20.000 EUR.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin ist Betreiberin eines Flugplatzes in Q, die Beklagten sind Anwohner in östlicher Richtung mit einem Abstand von ca. 600 Metern von der Start- und Landebahn. Bei Starts und Landungen der Fluggeräte wird ihr Grundstück regelmäßig überflogen. Bereits seit den 1980er Jahren betreiben die Beklagten, wie auch weitere Nachbarn (vgl. Parallelsache 34 U 159/05) verschiedene verwaltungs- und zivilrechtliche Verfahren, um eine Reduzierung der Beeinträchtigungen durch den Flugverkehr zu erreichen.

Öffentlich-rechtliche Grundlage für den Betrieb des Flugplatzes war zuletzt die befristete Genehmigung des Regierungspräsidenten N vom 12.12.1972, die durch weiteren Bescheid vom 20.1.1983 unbefristet, jedoch ausdrücklich unbeschadet der Rechte Dritter verlängert wurde. Unter dem 28.11.1994 erteilte sodann die Bezirksregierung N eine die früheren Genehmigungen ersetzende, inzwischen bestandskräftige "Genehmigung zur Erweiterung der Anlage und zum weiteren unbefristeten Betrieb des Verkehrslandeplatzes". In dieser Genehmigung wurden der Klägerin u.a. Bedingungen und Auflagen hinsichtlich Art und Maß der Nutzung der Anlage gemacht (Abschnitt IV. der Genehmigung), wegen derer im Einzelnen Bezug auf die Genehmigung genommen wird. Unter anderem schränkte die Bezirksregierung den Flugbetrieb für Platzrundenflüge, Überlandflüge von weniger als 30 Minuten Dauer mit Ausnahme von Streckenflügen, Schulflüge mit Ausnahme von Überlandflügen von mehr als 60 Minuten Dauer sowie von Streckenschulflügen, Rund- und Besichtigungsflüge gegen Entgelt mit Ausnahme von Flügen zur gewerblichen Personenbeförderung, erlaubnispflichtige Reklameflüge und Flugzeugschleppstarts mit besonders benannten Ausnahmen wie folgt ein:

Montags bis freitags vor 9.00 Uhr, zwischen 13.00 und 15.00 Uhr und nach Sonnenuntergang, spätestens jedoch ab 19.00 Uhr, samstags ab 13.00 Uhr - jeweils Ortszeit - sowie ganztägig an Sonn- und Feiertagen.

Die Genehmigung nimmt Luftfahrzeuge, die den erhöhten Schallschutzanforderungen entsprechen sowie Werkstattflüge von den Beschränkungen aus.

Eine zahlenmäßige Einschränkung von Starts in Richtung Osten wurde seitens der Genehmigungsbehörde ausdrücklich nicht vorgenommen.

Die Bezirksregierung N hat sich im Rahmen der vorgenannten Genehmigung u.a. vor dem Hintergrund eines zivilrechtlichen Urteils des 22. Zivilsenats des OLG Hamm vom 8.11.1990 (22 U 18/89) mit der Frage der zahlenmäßigen Beschränkung von Starts in östlicher Richtung befasst. Die jetzigen Beklagten hatten dieses Urteil erstritten, durch das die jetzige Klägerin seinerzeit verurteilt wurde, es zu unterlassen, mehr als 30 Startvorgänge von Motorflugzeugen täglich zuzulassen sowie Platzrunden und Lokalflüge, Schulflüge und Flugzeugschleppstarts werktäglich vor 7.00 Uhr und zwischen 13.00 und 15.00 sowie nach 19.00 Uhr zuzulassen, sowie sonn- und feiertags vor 8.00 Uhr und nach 13.00 Uhr.

Der 22. Zivilsenat hat seinerzeit zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass den jetzigen Beklagten als damaligen Klägern ein Unterlassungsanspruch gem. § 1004 Abs. 1 BGB zustehe. Dies folge daraus, dass die überfliegenden Fluggeräte sowohl nach den Ergebnissen des schon damals beauftragten Sachverständigen Dr. C, als auch nach der allgemeinen Lebenserfahrung für den durchschnittlich empfindlichen Menschen deutlich wahrnehmbare Geräuscheinwirkungen verursachten, die nach Art und Ausgestaltung als störend empfunden werden könnten und deshalb die damaligen Kläger in der Nutzung ihres Grundstückes wesentlich beeinträchtigten. Dies gelte jedoch nicht grundsätzlich und ganztägig. Der Senat hat vielmehr erkannt, dass die damaligen Kläger nicht verlangen können, dass grundsätzlich das Überfliegen ihres Grundstückes unterlassen werde, weil nicht jedweder Flugbetrieb bereits zu einer wesentlichen Beeinträchtigung ihres Grundstückes führe. In Zeiten gesteigerten Ruhebedürfnisses müsse jedoch ein weitergehender Schutz vor Geräuscheinwirkungen gewährt werden, so dass in diesen Zeiten Geräuscheinwirkungen, die sonst noch nicht als wesentlich anzusehen seien, dann als wesentlich und anspruchsbegründend anzusehen seien. Auß...

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