Leitsatz (amtlich)

1. Ein Titel auf Bucheinsicht ist grundsätzlich nach §§ 887f. ZPO zu vollstrecken; der Titel beinhaltet nicht (auch) das Recht des Handelsvertreters, Zutritt zu den Geschäftsräumlichkeiten des Unternehmers zu erhalten.

2. Der Antrag auf Bucheinsicht genügt den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO, wenn er den Umfang der begehrten Bucheinsicht genau bezeichnet und klarstellt, zu welchem Zweck (konkret) die Einsicht vorgenommen werden soll; dazu sind insbesondere die Provisionstatbestände und der betroffene Zeitraum zu benennen. Der Gegenstand der Bucheinsicht braucht nur abstrakt und nicht in allen möglichen Einzelheiten umschrieben zu werden (wie Staub/Emde, HGB, 6. Aufl. 2021, § 87c, Rn. 290).

3. Der Anspruch auf Bucheinsicht (§ 87c Abs. 4 HGB) erfordert, dass der Vertreter eine Sachlage darlegt und ggf. beweist, nach der für einen unbefangenen Dritten die Richtigkeit oder Vollständigkeit des Buchauszuges zweifelhaft ist (u.a. OLG Nürnberg, Beschl. v. 08.12.2010 - Az. 12 U 1242/10). Begründete Zweifel an der Vollständigkeit oder Richtigkeit eines - zuletzt erteilten - Buchauszugs können sich auch daraus ergeben, dass zuvor unvollständige oder unrichtige Buchauszüge erteilt worden sind oder dass inhaltliche Abweichungen zwischen den vorherigen und dem zuletzt erteilten Buchauszug bestehen, wenn es dem Unternehmer nicht gelingt, die Unzulänglichkeit der früheren Buchauszüge bzw. verbleibende Divergenzen zum zuletzt erteilten Buchauszug nachvollziehbar zu erklären.

4. Der Handelsvertreter kann den Unternehmer nicht auf Vornahme des Wahlrechts zwischen Gewährung persönlicher Einsicht und der Gewährung der Einsicht an vom Handelsvertreter bestimmter Wirtschaftsprüfer/vereidigter Buchprüfer in Anspruch nehmen, da keine Pflicht zur Ausübung des Wahlrechts besteht.

 

Normenkette

HGB § 87c; ZPO §§ 887-888

 

Verfahrensgang

LG Dortmund (Aktenzeichen 2 O 165/14)

 

Tenor

Auf die Berufungen des Klägers vom 13.12.2018 und des Beklagten vom 13.12.2018 wird - unter Zurückweisung der Berufungen im Übrigen - das am 08.11.2018 verkündete Teilurteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund (Aktenzeichen 2 O 165/14) teilweise abgeändert.

Der Beklagte wird - unter Abweisung des Antrags im übrigen - verurteilt, nach seiner Wahl entweder dem Kläger oder einem vom Kläger zu bestimmenden Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchsachverständigen Einsicht in die Geschäftsbücher, Urkunden, sonstigen Unterlagen bzw. Computer- und EDV-Systeme des Beklagten zur Überprüfung der Frage zu gewähren, ob der Buchauszug SG1 (überreicht mit Schriftsatz des Beklagten vom 26.05.2017) sämtliche Verträge enthält, die seitens des Klägers vom 01.01.2012 bis zum 30.04.2015 vermittelt, betreut und im Sinne des § 87 Abs. 3 Nr. 1 HGB angebahnt wurden.

Der Antrag auf Androhung von Ordnungsmitteln im Sinne des § 890 ZPO (Klageantrag zu Ziffer 11.) bleibt abgewiesen.

Hinsichtlich der Anträge des Klägers auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 94.651,98 EUR (Klageantrag zu Ziffer II.) und auf Ausgleichszahlung in Höhe von 61.500,00 EUR (Klageantrag zu Ziffer III.) sowie bezüglich des Widerklageantrags des Beklagten, gerichtet auf Zahlung von 95.609,31 EUR, wird das Urteil mit dem zugrundeliegenden Verfahren aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Dortmund zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung - einschließlich der Kosten des Berufungsverfahrens - bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 EUR abwenden, soweit der Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

A. Der Beklagte ist ein Versicherungsverein. Der Kläger war bis zum 31.03.2014 für den Beklagten als Versicherungsvertreter tätig. Die Parteien streiten um daraus resultierende Auskunfts- bzw. Einsichtsrechte und Zahlungsansprüche.

Der Kläger war ab dem 01.05.2010 für den Beklagten aufgrund eines Generalagenturvertrages vom 17.05.2010 tätig. Ab dem 01.07.2013 betätigte sich der Kläger für den Beklagten auf Grundlage eines zwischen den Parteien am 04.07.2013 geschlossenen Agenturvertrages. Beide Verträge enthielten die Erklärung, dass Tätigkeitsbeginn für die A Gruppe der 01.05.2010 war. Der Generalagenturvertrag sah für die Betreuung des selbstvermittelten und zugewiesenen Bestandes für die Zeit vom 01.05.2010 bis 31.12.2011 eine BBP (Bestandsbetreuungsprovision)/ANP(Provisionen aus dynamischen Anpassungen)-Garantie von monatlich 2.400,00 EUR vor. Der Agenturvertrag bestimmte eine BBP/ANP-Garantie des Klägers für die Betreuung des selbstvermittelten und zugewiesenen Bestandes für die Zeit vom 01.07.2013 bis 31.12.2014 in Höhe von 1.500,00 EUR pro Monat.

Des Weiteren ist in beiden Verträgen geregelt, dass der Berechnung des Handelsvertreterausgleichsanspruchs die zwischen den Vermittlerverbänden und den Verbänden der Versicherungswirt...

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