Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit eines nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei ergangenen Urteils
Leitsatz (amtlich)
Ergeht ein Urteil auf eine nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei durchgeführten Verhandlung, so ist es nicht nichtig, sondern im Rechtsmittelverfahren aufzuheben und die Sache an das erstinstanzliche Gericht zurückzuverweisen.
Normenkette
ZPO § 240
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 10.02.2010 verkündete Urteil der I. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund mit dem zugrundeliegenden Verfahren für die Zeit ab 04.01.2008 aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
A.
Die Klägerin zu 2. erhielt im Jahr 2003 von dem Studentenwerk E den Auftrag, Umbau- und Modernisierungsarbeiten an der Hauptmensa der Universität E auszuführen. Im Oktober schloss sie mit der Beklagten, einem Fachentsorgungsunternehmen, einen Subunternehmervertrag über Abbrucharbeiten an dem Bauvorhaben.
Die Klägerin zu 2. hat behauptet, diese Arbeiten habe die Beklagte mangelhaft ausgeführt, weil sie die Demontage durchgeführt habe, obwohl Mineralwolle-Dämmstoffe in den Decken großflächig kontaminiert gewesen seien. Sie verlangt deshalb aufgrund des Schadensfalles einen Teil ihrer Selbstbeteiligung (1.917,00 EUR) ersetzt.
Die Klägerin zu 1. ist die Haftpflichtversicherung der Klägerin zu 2.; sie nimmt die Beklagte aus übergegangenem Recht ebenfalls auf Schadensersatz in Höhe von 37.402,29 EUR in Anspruch.
Am 04.01.2008 wurde über das Vermögen der Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet (AG Osnabrück, 41 IN 60/07; Beschluss Bl. 574 f.).
Das Landgericht hat – nachdem es im Verlaufe der ersten Instanz am 09.02.2005 und 28.01.2009 Versäumnisurteile gegen die Beklagte erlassen hat – mit dem am 10.02.2010 verkündeten Urteil unter teilweiser Aufhebung der vorherigen Versäumnisurteile der Klägerin zu 1. 35.583,00 EUR und der Klägerin zu 2. 1.917,00 EUR als Schadensersatz zugesprochen und im übrigen die Klage abgewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten der Feststellungen, der in erster Instanz gestellten Anträge und der Entscheidungsgründe wird auf das von der Beklagten mit der form- und fristgerechten Berufung angefochtene Urteil Bezug genommen.
Mit ihrem Rechtsmittel trägt die erstmals vor, dass über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei und die danach ergangenen erstinstanzlichen Entscheidungen wirkungslos seien.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil einschließlich des Verfahrens seit Insolvenzeröffnung am 04.01.2008 aufzuheben und an das Landgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerinnen beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen das angefochtene Urteil mit näheren Ausführungen. Sie meinen, die Berufung sei unzulässig, weil dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten die Vollmacht der Insolvenzverwalterin fehle. Das Urteil des Landgerichts sei zudem materiell-rechtlich korrekt.
Entscheidungsgründe
B.
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mit dem zugrundeliegenden Verfahren ab dem 04.01.2008 und zur Zurückverweisung an das Landgericht.
I.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere entgegen der Ansicht der Klägerinnen wirksam eingelegt.
Der Insolvenzschuldner, hier die Beklagte, kann nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Rechtsfolge der Unterbrechung eines Gerichtsverfahrens nach § 240 ZPO mit einem Rechtsmittel zur Geltung bringen, wenn das mit der Sache befasste Gericht diese Rechtsfolge außer Acht gelassen und ein Urteil verkündet hat. Auf eine Kenntnis des Gerichts vom Unterbrechungsgrund kommt es nicht an. § 249 II ZPO steht der Wirksamkeit der Rechtsmitteleinlegung nicht entgegen. Für solche Fallkonstellationen kann eine vor Insolvenzeröffnung erteilte Prozessvollmacht abweichend von § 117 InsO als fortbestehend behandelt werden (BGH, NJW 1995, 2563; NJW 1997, 1445 [BGH 16.01.1997 – IX ZR 220/96]; NZI 2009, 783 [BGH 27.01.2009 – XI ZR 519/07]; BAG, ZInsO 2001, 727; NZA 2008, 1204; Zöller/Greger, 28. Auflage, § 249 ZPO, Rn. 10; Erfurter Kommentar, 10. Auflage, Einführung, Rn. 18).
II.
Die Berufung ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der ...