Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 28.10.2015; Aktenzeichen 41 O 39/15) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 28.10.2015 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des LG Essen wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A. Von der Darstellung eines Tatbestandes wird gemäß §§ 313a Abs. 1, 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.
B. Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Denn die zulässige Klage ist begründet.
Dem gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimierten Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 8 Abs. 1, 3a UWG i.V.m. Art. 10 der VO (EG) Nr. 1924/2006 (im Folgenden HCVO) zu.
I. Die Werbung der Beklagten für das Produkt "... X-Kapseln" auf der Internetseite www...de stellt eine geschäftliche Handlung i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar. Diese erfüllt den wettbewerbsrechtlichen Rechtsbruchtatbestand, und zwar sowohl in seiner bisherigen Fassung des § 4 Nr. 11 UWG a.F. als auch in seiner nunmehrigen Fassung des § 3a UWG.
Denn sämtliche der mit den Klageanträgen zu 1. bis 5. beanstandeten Aussagen verstoßen gegen Art. 10 HCVO, mithin gegen eine Marktverhaltensregelung (vgl. hierzu BGH GRUR 2015, 611 - RESCUE - Produkte).
1. Der Anwendungsbereich der HCVO ist gemäß Art. 1 Abs. 2 S. 1 HCVO eröffnet.
Bei dem auf der Internetseite der Beklagten beworbenen Produkt handelt es sich um Lebensmittel i.S.d. Art. 2 VO (EG) Nr. 178/2002 und damit auch der HCVO (Art. 2 Abs. 1 Buchst. a HCVO), die an Endverbraucher abgegeben werden sollen.
Die vom Kläger mit seinem Klageantrag beanstandeten Werbeaussagen stellen gesundheitsbezogene Angaben i.S.d. Art. 2 Abs. 2 Nr. 5 HCVO dar.
Eine Angabe ist gesundheitsbezogen, wenn mit ihr erklärt, suggeriert oder auch nur mittelbar zum Ausdruck gebracht wird, dass ein Zusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile einerseits und der Gesundheit (oder dem gesundheitsbezogenen Wohlbefinden) andererseits besteht. Der Begriff "Zusammenhang" ist dabei weit zu verstehen. Der Begriff "gesundheitsbezogene Angabe" erfasst daher jeden Zusammenhang, der eine Verbesserung des Gesundheitszustands dank des Verzehrs des Lebensmittels impliziert. Die Frage, ob eine Aussage auf das gesundheitliche Wohlbefinden abzielt, ist anhand der in Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 HCVO aufgeführten Fallgruppen zu beurteilen (vgl. BGH, GRUR 2014, 1013 Rn. 23 - Original Bach - Blüten; GRUR 2011, 246 Rn. 9 - Gurktaler Kräuterlikör; BGH, GRUR 2013, 958 Rn. 13 - Vitalpilze).
Demnach zählen hierzu Angaben, die die Bedeutung eines Nährstoffes oder einer anderen Substanz für Körperfunktionen beschreiben (Art. 13 Abs. 1 Buchst. a HCVO), wie auch Angaben, die die schlankmachenden oder gewichtskontrollierenden Eigenschaften des Lebensmittels beschreiben oder hierauf verweisen (Art. 13 Abs. 1 Buchst. c) HCVO).
Um derlei Angaben handelt es sich vorliegend, wenn mit besonderen Eigenschaften des (Kombinations-) Präparates "X", die darin liegen sollen, im Körper Zucker zu "zerstören" und Fett zu verbrennen sowie zur Gewichtsabnahme beizutragen, geworben wird - und dies stellt die Beklagte mit der Berufung letztlich auch selbst nicht in Frage.
2. Bei den vom Kläger beanstandeten Werbeaussagen handelt es sich durchweg um spezifische gesundheitsbezogene Angaben im Sinne des Art. 10 Abs. 1 HCVO.
a) Die mit dem Klageantrag zu 1. angegriffene Überschrift "X - Schnell wie nie zur Wunschfigur" vermittelt dem nach Erwägungsgrund 16 Satz 3 der HCVO maßgeblichen normal informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher schon für sich genommen und erst Recht vor dem Hintergrund der sich anschließenden Erläuterung im nachfolgenden Absatz, dass durch die Einnahme des beworbenen Präparates eine schnelle Gewichtsreduzierung, und zwar bis hin zur (individuellen) "Wunschfigur" erreicht werden könne.
Der Liste im Anhang der Verordnung (EU) Nr. 432/2012 ist - so beispielsweise mit Glucomannan - zu entnehmen, dass gerade eine solche Aussage, wonach ein Nährstoff, eine Substanz, ein Lebensmittel oder eine Lebensmittelkategorie zu einem Gewichtsverlust oder einer Gewichtsabnahme führt, als spezifische gesundheitsbezogene Angabe im Sinne des Art. 10 Abs. 1 HCVO der Zulassung zugänglich ist.
b) Für die mit dem Klageantrag zu 2. angegriffene Passage gilt nichts anderes, wenn es hierin heißt:
"Wir kennen das doch alle - man quält sich mit einer Diät oder möchte einfach nur etwas fitter werden, aber der Körper kommt nicht richtig in Schwung. Egal, wieviel wir uns vom Mund absparen, wir nehmen nicht ab. Egal, wieviel wir uns bewegen, wir kommen nicht richtig in Schwung. Doch damit ist jetzt Schluss, denn ab sofort bietet Ihnen ... das neue X!".
Hierbei mag jeder einzelne Satz für sich genommen womöglich keine spezifische gesundheitsbezogene Angabe enthalten. Eine solchermaßen isolierte Betrachtungsweise ist vorliegend jedoch nicht maßgeblich. Denn Gegenstand des Klageantrages zu 2. ist die Gesamtaussag...