Verfahrensgang

LG Dortmund (Aktenzeichen 2 O 106/20)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerinnen gegen das Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 14.04.2021 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufungsinstanz tragen die Klägerin zu 1) zu 73 % und die Klägerin zu 2) zu 27 %.

Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerinnen dürfen die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe

I. Die Klägerinnen sind die gesetzliche Krankenversicherung und die Pflegeversicherung des bei einem Verkehrsunfall am 00.00.20XX schwer verletzten A. Dieser liegt seit dem Unfall im Wachkoma, die Fahrerin des bei der Beklagten haftpflichtversicherten Unfallfahrzeuges "Marke X", Frau B, starb bei dem Unfall.

Beide Klägerinnen erbrachten erhebliche Aufwendungen für den Versicherten A, die sie aus gem. § 116 SGB X auf sie übergegangenem Recht von der Beklagten erstattet verlangen, und zwar auf der Basis zweier zwischen dem C-Bundesverband und der Beklagten am 03.07.1996/14.06.1996 geschlossenen Teilungsabkommen, denen die Klägerinnen beigetreten sind und in welchen der Rückgriff von Krankenkassen- bzw. Pflegekassen gegenüber Haftpflichtversicherungen nach § 116 SGB X zur schnellen und unbürokratischen Abwicklung besonders geregelt ist.

Zum Anwendungsbereich der beiden im Wesentlichen wortgleichen Teilungsabkommen wird in § 1 Abs. 1 bestimmt, dass, wenn eine diesem Abkommen beigetretene Kranken- bzw. Pflegekasse gegen eine natürliche oder juristische Person, die bei der Beklagten haftpflichtversichert ist, gem. § 116 SGB X Ersatzansprüche aus Schadenfällen ihrer Versicherten oder deren mitversicherten Familienangehörigen (Geschädigte) geltend machen kann, die Beklagte auf die Prüfung der Haftungsfrage verzichtet.

Weiterhin heißt es in § 1 Abs. 5 S. 2 der Teilungsabkommen, dass das Abkommen keine Anwendung findet, wenn es sich bei den Geschädigten um Familienangehörige der bei der Beklagten haftpflichtversicherten Person handelt, die mit dieser in häuslicher Gemeinschaft leben (§ 116 Abs. 6 SGB X).

Die Parteien haben erstinstanzlich im Wesentlichen darüber gestritten, ob der Versicherte der Klägerinnen A und die bei dem Unfall verstorbene B in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammen gelebt haben und daher das Familienprivileg aus § 116 Abs. 6 S. 1 SGB X bzw. aus § 1 Abs. 5 S. 2 der Teilungsabkommen einen Anspruchsübergang auf die Klägerinnen hindert.

Die Klägerinnen haben bestritten, dass eine solche häusliche Lebensgemeinschaft zum Unfallzeitpunkt zwischen den Unfallopfern bestanden habe. Diese hätten unterschiedliche Adressen, außerdem habe sich nach dem Unfall bei der Polizei eine andere Frau als Lebensgefährtin des Versicherten A gemeldet.

Die Klägerinnen haben beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1) 181.764,84 Euro nebst Verzugszinsen in Höhe von jeweils p. a. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 165.968,25 Euro ab dem 22.09.2019 sowie auf weitere 15.796,59 Euro ab Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 2) 47.216,00 Euro nebst Verzugszinsen in Höhe von jeweils p. a. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 40.106,05 Euro ab dem 22.09.2019 sowie auf weitere 7.109,95 Euro ab Rechtshängigkeit zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zu 1) alle ihr aus dem Unfall am 14.05.2016 ihres Versicherten A noch entstehenden Aufwendungen zu ersetzen,

4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zu 2) alle ihr aus dem Unfall vom 14.05.2016 ihres Versicherten A noch entstehenden Aufwendungen zu ersetzen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, zwischen den Unfallgeschädigten habe vor dem Unfall eine nichteheliche Lebensgemeinschaft bestanden, beide hätten in einer gemeinsamen Wohnung unter Führung eines gemeinsamen Haushalts und Hausstandes zusammengelebt, wie sich auch aus verschiedenen Zeugenaussagen ergebe.

Das Landgericht hat die Zeuginnen D und E und F vernommen und sodann die Klage mit der Begründung abgewiesen, die Klägerinnen könnten keine Ansprüche aus den mit der Beklagten bestehenden Teilungsabkommen herleiten, da der behauptete Forderungsübergang gem. § 116 Abs. 1 SGB X analog § 116 Abs. 6 S. 1 SGB X ausgeschlossen sei.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sei das Familienprivileg auch auf die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft anzuwenden. Eine solche bestehe hier nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts.

Darunter sei eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau zu verstehen, die auf Dauer angelegt sei, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulasse und sich durch innere Bindungen auszeichne, die ein gegenseitiges Einstehen der Part...

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