Leitsatz (amtlich)
Ein auf der Pflasterung eines Gehwegs, der zu einem Marktplatz führt, mehr als 2 cm hervorstehender Pflasterstein kann eine abhilfebedürftige Gefahrenstelle sein. Legt die verkehrssicherungspflichte Kommune eine in zeitlicher und örtlicher Hinsicht ausreichende Kontrolle des Gehwegs dar, die der durch einen Sturz über den Pflasterstein geschädigte Fußgänger nicht widerlegen kann, haftet die Kommune nicht. Eine wöchentliche Kontrolle kann auch in stark frequentierten Verkehrsbereichen ausreichen, wenn diese sich nicht als besonders gefährliche Bereiche darstellen.
Normenkette
BGB §§ 839, 253, 249; GG Art. 34; StrWG NRW §§ 9, 9a, 47
Verfahrensgang
LG Bochum (Aktenzeichen 5 O 338/18) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 7. Juni 2019 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern die Beklagte vor der Vollstreckung nicht Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Das angefochtene Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt Schadensersatz wegen der Folgen eines von ihr behaupteten Unfallereignisses am 01.08.2017 gegen 12.00 Uhr auf dem Bplatz in C. Sie wirft der Beklagten eine Verletzung ihrer Verkehrssicherungspflicht vor, weil ein Pflasterstein 4 bis 5 cm über das Straßenniveau hinausgestanden habe, über den sie gestürzt sei.
Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts einschließlich der erstinstanzlichen An-träge wird gemäß § 540 ZPO auf die Feststellungen in dem angefochtenen Urteil verwiesen.
Das Landgericht hat die Klage nach uneidlicher Vernehmung der Zeugen N und T abgewiesen und ausgeführt: Es könne dahinstehen, in welcher Höhe der Pflasterstein herausgestanden habe, denn jedenfalls habe die Beklagte den Marktplatz ausreichend kontrolliert. Aufgrund der Aussage des Zeugen T und dem vorgelegten Protokoll ergebe sich, dass die letzte Kontrolle am 27.07.2017 durchgeführt worden sei und keine Beanstandungen ergeben habe. Eine unzureichende Dauer der Kontrolle könne nicht angenommen werden, da für eine 60 × 80 m große Fläche ein Zeitraum von 10 bis 15 Minuten ausreichend erscheine. Auch eine größere Kontrolldichte als wöchentlich sei nicht erforderlich. Zudem sei nicht feststellbar, dass eine häufigere Kontrolle den Unfall der Klägerin verhindert hätte, denn der Hochstand des Pflastersteins könne kurzfristig durch eine bewusste Manipulation verursacht worden sein.
Mit der Berufung vertieft die Klägerin ihr Vorbringen, dass der Stein mindestens 3 cm aus der übrigen Pflasterung herausgestanden und eine abhilfebedürftige Gefahrenstelle begründet habe. Die Beklagte habe insofern ihrer Kontrollpflicht nicht genügt. Es bleibe bestritten, dass der Zeuge T, dem die Erinnerung an die Kontrolle vor dem Unfall gefehlt habe, die Unfallstelle kontrolliert habe. Jedenfalls seien eine wöchentliche Kontrolle und ein Zeitaufwand hierbei von 10 bis 15 Minuten nicht ausreichend gewesen. Für ihre Behauptung, auch die Marktaufseher hätten den Weg kontrolliert, fehle es an einem Beweisantritt der Beklagten. Der herausragende Stein hätte einem Kontrolleur auffallen müssen. Die Ungewissheit, ob häufigere Kontrollen den Unfall vermieden hätten, wirke sich zu Lasten der Beklagten aus.
Die Klägerin beantragt,
das am 07.06.2019 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Bochum abzuändern und
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird (Vorstellung: mindestens 20.000,00 Euro), nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie weitere 52,17 Euro zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, sie von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten der Rechtsanwaltssozietät G. und O. in Höhe von 1.242,84 Euro freizustellen,
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr alle weiteren immateriellen und materiellen Schäden zu ersetzen, die auf dem Unfallereignis vom 01.08.2017 auf dem Bplatz in C beruhen, soweit sie nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil. Ergänzend zu ihrem erstinstanzlichen Vortrag behauptet sie, dass ihre Straßenbegeher durch ein GPS-System unterstützt würden. Über dieses sei am 26.07.2017 von dem Ort aus, an dem die Klägerin später gestürzt sei, die Durchführung der Kontrolle gemeldet worden. Der Schaden im Pflaster müsse durch eine punktuelle mechanische Belastung von außen herbeigeführt worden sein. Dies sei auch durch eine höhere Kontrolldichte nicht zu vermeiden gewesen.
Der Senat hat die Klägerin angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf den Beric...