Entscheidungsstichwort (Thema)
Zeitliche Begrenzung der Sicherheitsleistung der herrschenden Gesellschaft für Versorgungsansprüche nach Ende des Beherrschungsvertrags
Normenkette
AktG §§ 303, 291 ff.; HGB §§ 26, 160
Gründe
A. Zwischen der Beklagten und der S. AG, deren Tochter die S2 GmbH war, bestand bis zum 31.12.2004 ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Die beiden letztgenannten Gesellschaften wurden an die S4 AG & Co. KG veräußert. Nach Umfirmierung und Umwandlung wurde aus der S. AG die S3 GmbH.
Die Kläger zu 1), 2) und 4) waren Vorstandsmitglieder der S. AG, der Kläger zu 3) war Vorsitzender der Geschäftsführung der S2 GmbH. Sie schieden vor der Veräußerung aus beiden Gesellschaften aus.
Den Klägern standen und stehen Versorgungsansprüche gegen die frühere S. AG und gegen die S3 GmbH zu. Die Parteien streiten um Ansprüche gegen die Beklagte aus § 303 AktG auf Sicherheitsleistung für die Versorgungsansprüche, wobei diese dem Grunde nach unstreitig sind. Die Beklagte war vorprozessual bereit, den Klägern eine auf fünf Jahre befristete Eigenbürgschaft zu stellen. Sie möchte die Ansprüche der Höhe nach beschränken. Die Kläger verlangen demgegenüber eine unbefristete Sicherheitsleistung.
Das LG hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, den Klägern für die Versorgungsansprüche Sicherheit zu leisten oder eine Eigenbürgschaft zu stellen. Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.
B. Die zulässige Berufung ist teilweise begründet.
Die Klagen sind zulässig, allerdings nur teilweise begründet.
I. Die Klagen sind zulässig.
1. Die Klageanträge sind nicht deshalb zu unbestimmt gefasst und deshalb unzulässig, weil die geforderten Sicherheitsleistungen nicht ihrem Betrag nach konkretisiert sind. Soweit der Senat im Verhandlungstermin entsprechende Bedenken geäußert und Hilfsanträge angeregt hatte, erweisen sich diese letztlich als unbegründet, da die von den Klägern zu fordernden Sicherheiten auf Eigenbürgschaften der Beklagten beschränkt sind (vgl. dazu unten III 3). Eine darauf gerichtete Vollstreckung erfordert keine weitere Konkretisierung.
2. Entgegen der Ansicht der Beklagten fehlt den Klägern auch nicht ganz oder teilweise das Rechtsschutzinteresse für die Klagen, soweit Bürgschaften ohne die Verzichtsklausel mündlich angeboten worden sein sollen (was zwischen den Parteien streitig ist). Dieser Gesichtspunkt, träfe er zu, würde auch zur Unbegründetheit des Antrags führen. Es handelt sich insoweit um sog. doppelrelevante Tatsachen, d.h. Tatsachen, die sowohl für die Zulässigkeit als auch für die Begründetheit einer Klage notwendigerweise erheblich sind. Sie werden erst bei der Prüfung der Begründetheit festgestellt; für die Zulässigkeit reicht die einseitige Behauptung aller erforderlichen Tatsachen durch die klagende Partei aus (RGZ 29, 371, 373 f.; RGZ 158, 1, 2; RG JW 1901, 396 Nr. 4 und 798 f.; RG JW 1902, 125 Nr. 3; BGHZ 7, 184, 186; BGH NJW 1964, 497, 498; BGHZ 124, 237, 241).
Auf der Grundlage des Vorbringens der Kläger bestehen die geltend gemachten Ansprüche fort, sie sind auch nicht teilweise erfüllt. Teilleistungen konnten die Kläger zudem zu Recht nach § 266 BGB ablehnen. Die Bürgschaften unterliegen wegen § 350 HGB zwar nicht der Schriftform nach § 766 BGB, ohne Verzicht hat die Beklagte sie den Klägern nach deren Behauptung aber nicht angeboten.
Im Übrigen lässt sich die Schutzwürdigkeit der Position der Kläger erst aufgrund näherer Prüfung materiell-rechtlicher Fragen beurteilen, das Rechtsschutzinteresse kann auch deshalb nicht verneint werden (vgl. nur Zöller/Greger, ZPO, vor § 253 Rz. 18 m.w.N.).
III. Die Klage ist teilweise begründet.
1. Die Anspruchsvoraussetzungen einschließlich der Einhaltung der Frist nach § 303 Abs. 1 AktG sind zwischen den Parteien unstreitig. Die Kläger haben Versorgungsansprüche gegegengen die S. AG gehabt. Sie haben bei der Fassung ihrer Anträge auch die Vorschrift des § 303 Abs. 2 AktG berücksichtigt, wonach bei einem Anspruch auf vorzugsweise Befriedigung kein Anspruch auf Sicherheitsleistung besteht.
a) Entgegen der Ansicht der Kläger ist allerdings eine Beschränkung der von der Beklagten zu leistenden Sicherheit auf 10 Jahre vorzunehmen.
aa) Einigkeit besteht in der Literatur darüber, dass eine "Endloshaftung" der herrschenden Gesellschaft, hier der Beklagten, bei einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (§§ 291 ff. AktG) unzumutbar ist (vgl. nur Spindler/Stilz/Veil, AktG, § 303 Rz. 14 a.E. m.w.N.). Unter dem Begriff der "Endloshaftung" werden die Fälle von Dauerschuldverhältnissen behandelt, zu denen auch Versorgungsansprüche gehören, wie sie hier die Kläger geltend machen (vgl. z.B. Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 4. Aufl., § 303 AktG Rz. 11).
Der Senat schließt sich dieser Auffassung an, die eine zeitliche Begrenzung der Sicherung auch von besonders schutzwürdigen Versorgungsansprüchen befürwortet.
bb) Zweifelhaft und umstritten ist allerdings, wie eine (zeitliche) Begrenzung der Haftung begründet werden kann.
Insoweit ...