Leitsatz (amtlich)

1. Die ungesicherte Erschließung eines Hausgrundstücks stellt einen Mangel im Sinne des § 459 Abs. 1 BGB dar.

2. Wird die Erschließung dadurch ungesichert, dass die mit einem Haus bebaute Teilfläche eines Grundstücks verkauft wird, die über die verbleibende Restfläche abwassermäßig erschlossen ist, so liegt der Mangel bereits bei Vertragsschluss vor.

 

Normenkette

BGB § 459 a.F., § 463 a.F.

 

Verfahrensgang

LG Detmold (Aktenzeichen 1 O 504/99)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Kläger wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels der Beklagten i.Ü. das am 10.3.2000 verkündete Urteil der Zivilkammer I des LG Detmold abgeändert.

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Kläger 7.936,41 EUR nebst 4 % Zinsen aus 7.834,53 EUR seit dem 30.12.1998 und aus weiteren 101,88 EUR seit dem 8.11.1999 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner auch den weiteren Schaden zu ersetzen haben, der den Klägern daraus entsteht, dass die Grundstücksentwässerung von dem Haus … in … verlegt werden musste, insbesondere die Kosten der hierfür erforderlichen öffentlichen Straßenausbesserungsarbeiten, soweit sie den Klägern belastet werden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Kläger zu 62 % und die Beklagten zu 38 %.

Die Kosten der Berufungsinstanz tragen die Kläger zu 57 % und die Beklagten zu 43 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beschwer der Parteien übersteigt nicht 20.000 EUR

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO (a F.) abgesehen.

 

Gründe

A. Die Beklagten waren Eigentümer eines zwischen der …-Straße und der …-Straße gelegenen Grundstücks. Aus diesem Grundstück verkauften sie durch notariellen Kaufvertrag vom 20.4.1998 eine an der …-Straße gelegene und mit einem Wohnhaus bebaute Teilfläche an die Kläger. Das Haus wurde über die im Eigentum der Kläger verbleibende Restfläche des Grundstücks …-Straße entwässert. Diese Restfläche verkauften die Beklagten anderweitig.

Mit der Behauptung, die Beklagten hätten ihnen die ungesicherte Entwässerungssituation des Hauses arglistig verschwiegen, haben die Kläger Schadensersatz in Höhe der Kosten für die Herstellung eines Kanalanschlusses zur …-Straße verlangt.

Das LG hat die Beklagten antragsgemäß zur Zahlung i.H.v. 40.834,88 DM nebst Zinsen verurteilt.

Mit ihrer Berufung begehren die Beklagten die Abweisung der Klage. Die Kläger verlangen im Wege der Anschlussberufung die Feststellung, dass die Beklagten auch zum Ersatz allen weiteren Schadens verpflichtet sind.

B. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Kläger haben im tenorierten Umfang Erfolg.

I. Den Klägern steht ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagten aus § 463 S. 2 BGB (a.F.) zu, jedoch nur i.H.v. 7.936,41 EUR (= 15.522,26 DM), so dass das Urteil des LG auf die Berufung der Beklagten entsprechend abzuändern war.

1. Der grundbuchlich nicht gesicherte und nicht direkt erfolgende Anschluss der verkauften Grundstücksteilfläche an das Abwasserkanalnetz stellt einen Mangel des Grundstücks i.S.d. § 459 Abs. 1 BGB (a.F.) dar, da eine Abweichung vom vertraglich geschuldeten Zustand vorliegt, die sowohl die Tauglichkeit zum gewöhnlichen Gebrauch als auch den Wert des Grundstücks erheblich mindert.

Ein Fehler i.S.d. § 459 Abs. 1 BGB liegt nach h.M. vor, wenn der tatsächliche Zustand der Kaufsache von dem Zustand abweicht, den die Vertragsparteien bei Abschluss des Kaufvertrages gemeinsam, ggf. auch stillschweigend vorausgesetzt haben und diese Abweichung den Wert der Kaufsache oder ihre Eignung zum vertraglich vorausgesetzten oder gewöhnlichen Gebrauch herabsetzt oder beseitigt. Der Fehler kann in körperlichen Eigenschaften oder in solchen tatsächlichen, rechtlichen sozialen und wirtschaftlichen Beziehungen zur Umwelt liegen, die nach der Verkehrsauffassung Wert und Brauchbarkeit der Kaufsache unmittelbar beeinflussen (allg. M. vgl. BGH v. 26.4.1991 – V ZR 165/89, MDR 1991, 966 = NJW 1991, 2556; v. 2.7.1993 – V ZR 157/92, MDR 1993, 1203 = NJW 1993, 2796 m.w.N.; Palandt/Putzo, BGB, 61. Aufl., § 459 Rz. 8).

Die tatsächliche Erschließung eines Grundstücks, insbesondere der freie, unbehinderte und gesicherte Anschluss an die öffentliche Abwasserversorgung, ist, wenn nicht eine körperliche Eigenschaft, so doch eine tatsächliche, oder bei tatsächlich vorhandener Abwasserleitung, deren Benutzung der Nachbar aus Rechtsgründen unterbinden kann, eine rechtliche Umweltbeziehung derSache. Sie ist von Dauer und hat ihren Grund in der Beschaffenheit der Sache selbst. Da der Käufer typischerweise ein erschlossenes Hausgrundstück erwerben will, ist der gesicherte Anschluss an das Abwassersystem auch dann als Sollbeschaffenheit vereinbart, wenn darüber keine besonderen Abreden bestehen. Auf dem Hintergrund der öffentlich-rechtlichen Bauvorschriften (§§ 30, 34, 35 BBauG bzw. die früher insoweit gleichlautenden §§ 30, 34, 35 BauGB) kann der Käufer voraussetzen, dass ein bebautes Gr...

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