Leitsatz (amtlich)

Verkehrssicherungspflicht des Ladenbetreibers für Einkaufswagen im Hinblick auf die Verhinderung einer unbefugten Benutzung durch Dritte und Verhinderung eines unbeabsichtigten Wegrollens nach Geschäftsschluss.

 

Normenkette

BGB § 823 Abs. 1; StVG § 7; StVO § 3 Abs. 1 S. 4

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Urteil vom 23.10.2014; Aktenzeichen 2 O 44/14)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 23.10.2014 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des LG Bielefeld (2 O 44/14) unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert:

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.306,85 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 2.3.2014 zu zahlen.

Der Beklagte wird weiterhin verurteilt, den Kläger von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 413,90 EUR freizustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen zu 20 % der Kläger und zu 80 % der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Der Zeuge P befuhr am 9.12.2013 gegen 01:00h bei stürmischen Witterungsverhältnisses mit dem Fahrzeug des Klägers in C die E Straße. In Höhe des von dem Beklagten betriebenen Lebensmittelmarktes kollidierte das Fahrzeug auf der Fahrbahn - so die Behauptung des Klägers - mit einem Einkaufswagen dieses Lebensmittelmarktes. Der Kläger macht die ihm hierdurch entstandenen Reparatur-, Sachverständigen-, und Mietwagenkosten neben einem verbleibenden Minderwert und einer allgemeinen Unkostenpauschale unter dem Gesichtspunkt einer Verkehrssicherungspflichtverletzung des Beklagten in einer Gesamthöhe von 5.408,56 EUR geltend.

Das LG hat die Klage nach Anhörung des Beklagten, der Vernehmung von Zeugen und Durchführung einer Ortsbesichtigung mit der Begründung abgewiesen, eine Verkehrssicherungspflichtverletzung des Beklagten lasse sich nicht feststellen. Zwar stehe nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme fest, dass es auf der Fahrbahn zu einer Kollision mit einem Einkaufswagen des Lebensmittelmarktes gekommen sei. Es sei aber offen geblieben, ob nicht ein Dritter den Einkaufswagen in der Zeit nach Ladenschluss am Samstag um 20:00h bis Montag um 01:00h auf dem Gelände oder auf dem dem Geschäft vorgelagerten Gehsteig abgestellt habe. Für ein solches Verhalten eines Dritten treffe den Beklagten keine Verkehrssicherungspflicht.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der dieser sein Klagebegehren in vollem Umfang weiterverfolgt. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

II. Die Berufung des Klägers ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Dem Kläger, dessen Aktivlegitimation durch Vorlage einer Fotokopie des Kaufvertrages im Senatstermin unstreitig geworden ist, steht gegen den Beklagten gem. § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht ein Anspruch auf Ersatz der ihm durch das Unfallereignis vom 9.12.2013 entstandenen Schäden i.H.v. 80 % zu.

1. Der Beklagte hat eine ihm obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt, weil die von ihm ergriffenen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Außenlagerung der Einkaufswagen nach Geschäftsschluss unzureichend gewesen sind.

1.1 Nach ständiger Rechtsprechung ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Denn eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Der Verkehrssicherungspflicht ist vielmehr genügt, wenn im Ergebnis der Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält. Es genügt daher, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind (Senat, U. v. 6.5.2014 - 9 U 13/14; juris m.w.N.). Dabei wird die Grenze zwischen abhilfebedürftigen Gefahren und von den Benutzern hinzunehmenden Erschwernissen ganz maßgeblich durch die sich im Rahmen des Vernünftigen haltenden Sicherheitserwartungen des Verkehrs bestimmt, die sich wesentlich an dem äußeren Erscheinungsbild der Verkehrsfläche und der Verkehrsbedeutung orientieren (Senat, U. v. 24.3.2015 - 9 U 114/14; juris).

1.2 Der Beklagte musste daher dafür Vorsorge treffen, dass die Einkaufswagen nach Geschäftsschluss sicher abgestellt waren. Dies gilt zum einen im Hinblick auf Schutzmaßnahmen gegen die unbefugte Benutzung durch Dritte, zum anderen aber auch mit Blick auf die Verhinderung eines Wegrollens dieser Einkaufswagen im Sinne einer Verselbständigung. Dies gilt vorliegen...

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